04/04/2025 | Press release | Archived content
Innere Sicherheitsstrategie: Vorratsdatenspeicherung und Datenzugriff - KOM
Die EU-Kommission hat am 2. April 2025 ihre Strategie für innere Sicherheit der EU vorgelegt. Als Folgemaßnahme zu den Empfehlungen der High Level Group "Going dark" wird die Kommission in der ersten Jahreshälfte 2025 einen Fahrplan vorlegen, in dem sie die rechtlichen und praktischen Maßnahmen darlegt, die sie zu ergreifen gedenkt, um einen rechtmäßigen und wirksamen Zugang zu Daten zu gewährleisten. 2025 soll eine Folgenabschätzung über die Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene erstellt werden, um die EU-Vorschriften ggf. zu aktualisieren, und ein Technologiefahrplan für die Verschlüsselung ausgearbeitet werden, um technologische Lösungen zu ermitteln, die es Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, "unter Wahrung der Cybersicherheit und der Grundrechte rechtmäßig auf verschlüsselte Daten zuzugreifen. Die Kommission soll künftig auch die potenziellen Auswirkungen von Gesetzgebung im gesamten Verfahren auf Sicherheit berücksichtigen. Europol soll 2026 zu einer "wirklich operativen" Polizeibehörde werden, die Frontex-Kräfte auf 30.000 verdreifacht werden. Der DAV hatte in seiner Stellungnahme 10/2025 zur Wahrung der Grundrechte in allen zukünftigen Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit aufgerufen (vgl. EiÜ 10/25).
Anti-Schleuser-Richtlinie: Deutliche Verbesserungen vorgeschlagen - EP
Im Europäischen Parlament wurde am 26. März 2025 der Berichtsentwurf zum Anti-Schleuser-Richtlinienvorschlag vorgelegt. Ziel des Richtlinienvorschlags (vgl. bereits EiÜ 11/24; 9/24; 41/23) ist es, mit überarbeiteten Mindestvorschriften die unerlaubte Ein- und Durchreise sowie den unerlaubten Aufenthalt in der Europäischen Union zu verhindern und zu bekämpfen. Berichterstatterin Birgit Sippel (S&D, Deutschland) sieht anders als der Kommissionsentwurf eine verpflichtende Tatbestandsausnahme für humanitäre Hilfe vor, wie auch der DAV in seiner Stellungnahme 14/2024 gefordert hatte. In einem Erwägungsgrund wird zudem klargestellt, dass darunter u.a. auch die Erteilung von Rechtsrat fällt. Auch will Sippel die Strafbarkeit der öffentlichen Anstiftung zur rechtswidrigen Einreise streichen, die zu einer uferlosen Vorverlagerung der Strafbarkeit geführt hätte. Die den bisherigen EU-Strafrechtsrichtlinien fremden "schweren Straftaten" will die Berichterstatterin streichen, aber im Bereich der Mindesthöchststrafen erhöhend berücksichtigen. Die anderen Mitglieder des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments können nun ihre Änderungsanträge einreichen. Der Bericht wird durch Berichterstatterin Sippel am 8. April im Ausschuss vorgestellt.
Omnibus-Paket: Grünes Licht für "Stop-the-Clock" - EP/Rat
Am 3. April 2025 stimmte das Europäische Parlament für die Verschiebung der Anwendbarkeit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), vgl. PM. Bereits zwei Tage zuvor wurde zur Durchführung eines beschleunigten Gesetzgebungsverfahrens der sog. "Stop The Clock"-Vorschlag der EU-Kommission beschlossen, während weitere Anpassungen der EU-Rechtsakte zur Nachhaltigkeitsgesetzgebung im Rahmen des Omnibus-Pakets dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegen, vgl. PM. "Stop The Clock" ist Teil des im Februar 2025 durch die EU-Kommission vorgeschlagenen Omnibus-Pakets zur Simplifizierung der EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung (vgl. EiÜ 08/25). Danach sollen die Berichtspflichten für Unternehmen nach der CSRD für große Unternehmen, die die Berichterstattung noch nicht aufgenommen haben und für börsennotierte KMU, um zwei Jahre verschoben werden. Zudem wird die Umsetzungsfrist der CSDDD auf Juli 2027 sowie die erste Phase ihrer stufenweisen Anwendung jeweils um ein Jahr verschoben. Der DAV hatte sich im Rahmen seiner Stellungnahme Nr. 2/2025 im Vorfeld des Kommissionsvorschlags ebenfalls für eine zeitliche Verschiebung der Anwendbarkeit ausgesprochen. Bereits am 26. März 2025 hatte der Rat der Europäischen Union dem "Stop the Clock"-Vorschlag ohne Änderungen zugestimmt (vgl. PM). Jetzt müssen die "Stop the clock"-Vorschriften vom Rat noch formell genehmigt werden, um in Kraft zu treten. Die Arbeiten an der zweiten Omnibus-Richtlinie zu Inhalt und Umfang der Berichtspflichten werden in Kürze beginnen.
Anwaltliche Ausbildung im Ausland möglich - EuGH
Einen Teil der Anwaltsausbildung zwingend im Inland absolvieren zu müssen, ist nicht mit Unionsrecht vereinbar. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 3. April 2025 in der Rechtssache C-807/23. Die Vorgabe der österreichischen Rechtsanwaltsordnung (RAO) stellt laut Gerichtshof eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar und ist somit nicht mit Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vereinbar. Danach müssen angehende Anwält:innen einen Großteil ihrer Ausbildung im Inland absolvieren, selbst wenn sie bei einem österreichischen Anwalt im EU-Ausland tätig sind. Im konkreten Fall argumentiere die Betroffene ausschließlich im österreichischen Recht tätig zu sein und regelmäßig österreichische Mandate vor österreichischen Behörden und Gerichten zu vertreten. Die Rechtsanwaltskammer Wien lehnte es ab, sie als Rechtsanwaltsanwärterin zu registrieren, da gemäß § 2 Absatz 2 RAO mindestens drei Jahre der Ausbildung bei einem Anwalt in Österreich erfolgen müssten. Der EuGH erkannte das Interesse Österreichs an, dass angehende Anwält:innen im Land ausreichend mit dem nationalen Rechtssystem vertraut sein müssen. Die starren Vorgaben zur Inlandsausbildung seien jedoch unverhältnismäßig. Mildere Maßnahmen seien denkbar, wie etwa ein Nachweis über die Vergleichbarkeit der heimischen Ausbildung mit der im Ausland.
Durchsuchung von Kanzleiräumen verstößt gegen EMRK - EGMR
Die Durchsuchung von Kanzleiräumen und die Beschlagnahme des Arbeitscomputers ohne schriftlichen Durchsuchungsbefehl stellen eine Verletzung des in Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz dar. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 3. April 2025 in der Rechtssache Kulák v. Slovakia (Beschwerdenr. 57748/21). Im konkreten Fall erfolgte die Durchsuchung der Kanzleiräume des Antragsstellers ohne schriftlichen Durchsuchungsbeschluss, sondern lediglich aufgrund telefonischer Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Im Rahmen der Durchsuchung wurde zudem der Arbeitscomputer des Antragsstellers beschlagnahmt, auf dem sich auch nicht ermittlungsrelevante Mandantenkorrespondenz befand. Der EGMR rügt in diesem Zusammenhang, dass das nationale Recht zum Zeitpunkt der Durchsuchung weder die Möglichkeit einer nachträglichen richterlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung noch ein Verfahren zum Schutz der dem anwaltlichen Berufsgeheimnis unterliegenden Daten vorsah. Folglich konnte so weder ein ausreichender Schutz vor Missbrauch noch der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Anwälten und Mandanten gewährleistet werden.
Schlussanträge zu Ungarns Klubrádió-Entscheidung - EuGH
Generalanwalt Rantos hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-92/23 geäußert, dass Ungarn seiner Ansicht nach das Unionsrecht verletzte, indem es Klubrádió die Verlängerung des Vertrags für eine Frequenz verweigerte und den Sender von der entsprechenden Neuausschreibung ausschloss. Klubrádió gilt als einer der letzten unabhängigen Radiosender in Ungarn, weshalb dessen Ausschluss rechtsstaatlich besonders bedenklich ist. Die ungarischen Behörden begründeten ihr Vorgehen mit wiederholten Verstößen gegen diemonatliche Übermittlung der Sendequoten, eines negativen Eigenkapitals in den letzten 5 Jahren, sowie formaler Mängel in der Bewerbung des Radiosenders. Rantos argumentiert jedoch, dass die Entscheidung des ungarischen Medienrates unverhältnismäßig war, da die festgestellten Verstöße gegen die Übermittlung der Sendequoten nicht schwerwiegend genug waren. Ferner kritisiert Rantos den Ausschluss von Klubrádió aufgrund nur geringfügiger Abweichungen im Programmplan und eines negativen Eigenkapitals. Laut Rantos hätten diese Umstände nicht zur Ablehnung und Ausschluss des Radiosenders führen dürfen. Somit hat Ungarn seiner Einschätzung nach gegen den Rechtsrahmen für die elektronischen Kommunikationsnetze und-dienste verstoßen, weshalb er sich für eine Stattgabe der Vertragsverletzungsklage hinsichtlich der meisten Rügen ausspricht.
Konsultation der EU-Kommission zum "European Democracy Shield" - KOM
Die EU-Kommission hat im Rahmen ihrer Initiative für einen "European Democracy Shield" eine Sondierung sowie eine Konsultation ins Leben gerufen, die je bis zum 26. Mai 2025 laufen. Ziel der Initiative ist es, Meinungen von Interessenträgern in Bezug auf Bedrohungen und Herausforderungen für die Demokratie in der EU einzuholen. Dabei geht es um die Bekämpfung von Desinformation sowie Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland sowie die Sicherstellung der Fairness und Integrität von Wahlen. Ferner betreffen die in der Konsultation gestellten Fragen die Stärkung des demokratischen Rahmens und der Gewaltenteilung, einschließlich der Medien und der Organisationen der Zivilgesellschaft. Die Initiative knüpft an den Aktionsplan für Europa (2020) und das Paket zur Verteidigung der Demokratie (2023) an. Auch das EU-Parlament setzt seine Arbeiten zu dem Themenkomplex fort. Dort wurde ein Sonderausschuss gegründet, der ebenfalls unter dem Namen "European Democracy Shield" firmiert (siehe zu dessen konstituierender Sitzung EiÜ 5/25).
Verbraucherstimmung positiv, Online-Risiken bleiben bestehen - KOM
Vor dem Weltverbrauchertag zeigte das neue Verbraucherbarometer 2025 : Europäische Verbraucher:innen vertrauen stärker auf Produktsicherheit und die Achtung ihrer Rechte, sehen sich online aber weiterhin Risiken wie gefälschten Bewertungen und irreführender Werbung oder gar Betrug ausgesetzt. Am 14. März veröffentlichte die Kommission ihren zweijährlichen Bericht zu den Bedingungen der Verbraucher (European Consumer Conditions Scoreboard). 70 % der Befragten vertrauen darauf, dass Händler die Verbraucherrechte achten, 68 % sehen Produkte als sicher an. Dennoch äußerten sich 93 % der Befragten besorgt über gezielte Werbung und Datenerhebung. Probleme beim Online-Kauf sind um 60 % wahrscheinlicher als offline. Das Barometer zeigt auch eine sinkende Bereitschaft zum nachhaltigen Konsum - bedingt durch Kosten und Zweifel an Umweltaussagen. Die EU-Kommission will über die bereits ergriffenen Maßnahmen wie die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit oder die neue Richtlinie zum Recht auf Reparatur ((EU) 2024/1799, vgl. EiÜ 22/24) hinaus weitere Maßnahmen ergreifen. Eine Mitteilung zum elektronischen Geschäftsverkehr adressiert Risiken von Drittlandimporten, ein geplanter Rechtsakt zur digitalen Fairness soll Online-Praktiken wie Dark Patterns und Fake-Bewertungen eindämmen. Die Barometerergebnisse sollen ferner in die Verbraucheragenda 2025-2030 einfließen.