11/05/2025 | Press release | Distributed by Public on 11/05/2025 01:59
Wie man die Arbeit eines (Geo-)Informatikers visualisiert? Indem man beispielsweise zum GEO-I-Gebäude fährt, auf gutes Wetter spekuliert und das Dach ansteuert. Klar, man hofft dabei, dass der Protagonist mitspielt und die Requisiten, ein Laptop und ein Funkmast, die Bildidee überzeugend transportieren. Ein schöner Nebeneffekt hierbei ist, dass man die Aussicht und den Wind genießen und zu dritt plaudern kann, etwa über Technik und Fotografie. Im Fall von Prof. Dr. Benjamin Risse hat dieses Vorhaben gut gepasst - er verbindet in seiner Arbeit die Geografie, computergestützte Bildanalysen und künstliche Intelligenz (KI).
Bei aller Idylle auf dem Dach: Das Modewort KI ist für Benjamin Risse ein Reizbegriff. Er hält ihn für "anthropomorph überladen", die Technik werde zu sehr vermenschlicht. Der 41-Jährige kennt sich aus, in den vergangenen Jahren ist er zum gefragten Experten avanciert. "Meine Arbeitsgruppe am Institut für Geoinformatik mit derzeit 15 Doktoranden und drei Postdocs ist aufgrund des anhaltenden KI-Hypes stark gewachsen", erklärt er. Das hat der "analytisch denkende Mensch" Benjamin Risse weder erwartet noch geplant. "Mein Zugang zur Informatik entspringt meiner Faszination für Mathematik. Computer sind als universelle Rechenmaschinen das ultimative Werkzeug für die Anwendung der Mathematik", sagt der Forscher, der in Münster Informatik und Biologie studierte und in der Schnittmenge von Informatik und Neurobiologie promovierte.
Die Verbindung von Technik und Natur hat es Benjamin Risse angetan. "Nehmen Sie DNA-Analysen: Der Mensch vermag seitenlange Buchstabenfolgen nicht zu analysieren - der Computer schon." Informatik, "ein Hybrid aus Mathematik, Ingenieurswissenschaften und unendlich vielen theoretischen und praktischen Erfordernissen", sei notwendig geworden für den biologischen Fortschritt. Mitte der 2000er war Informatik allerdings zunächst nur ein Mittel für Benjamin Risse, dessen genauen Zweck, einen konkreten Beruf, er nicht kannte.
Inzwischen hat er ihn gefunden. Nach Studium und Promotion in Münster sowie drei Jahren als Postdoc im schottischen Edinburgh, wo er "die KI-Explosion an einem der größten Informatik-Forschungsinstitute in Europa miterlebte", kehrte der gebürtige Halterner 2017 als Juniorprofessor ins Münsterland zurück. 2022 erhielt er seine Berufung und leitet inzwischen eine Arbeitsgruppe in der Geoinformatik, die sich allgemein mit der Erfassung, Modellierung, Analyse und Visualisierung von räumlichen und zeitlichen Daten beschäftigt. Es geht um Sensoren zur Erfassung von Insekten. Oder um Algorithmen, die aus Daten autonomer Fahrzeuge und von Drohnen 3-D-Modelle der Umgebung erstellen. Doch das ist nicht alles. Die AG ist auch in anderen Fachgebieten gefragt: etwa in der Analyse chemischer Verbindungen oder in der Medizininformatik, wo es um Krebsdiagnostik, entzündliche Erkrankungen oder männliche Unfruchtbarkeit geht. Die Informatik macht vieles möglich.
Neben dieser visuell-räumlich orientierten Informatik ist Benjamin Risse an der "klassischen" interessiert. Dabei geht es um maschinelles Lernen - eine Grundlage von KI. Im Gespräch wird deutlich, dass sich Benjamin Risse bei diesen Themen, verständlich, auf vertrautem Terrain befindet. Doch er kann auch zu Fachfremdem beeindruckend viel sagen. Lebhaft knüpft er Assoziationsketten, die von der Philosophie über die Soziologie bis zur Kunst reichen.
Auch wenn der Informatiker sein Fach in den Mittelpunkt rückt, verraten die Exkurse viel über ihn als Menschen. Benjamin Risse ist vielseitig interessiert, diskutiert leidenschaftlich, hört zu und lässt sich überzeugen - oder überzeugt andere. Zum Beispiel als gefragter Gast bei Podiumsdiskussionen. "Ich lasse mich schnell von Fragestellungen und Ideen begeistern", betont er. Neugier und Enthusiasmus prägen also sein Privatleben und nützen ihm gleichfalls bei der Arbeit. "KI-Arbeitsgruppen verändern sich stark: Früher waren sie hochspezialisiert, heute hat die universelle Einsetzbarkeit von Machine-Learning-Algorithmen die Forschung massiv verbreitert", erklärt er.
Das Gesprächstempo von Benjamin Risse ist hoch, doch bei allen Fachbegriffen und Erläuterungen verliert er sein Gegenüber nicht aus dem Blick. Begeistert und klar erklärt er dem Laien beispielsweise die Grundlagen der Informatik. Dabei wird deutlich, warum er es als Privileg empfindet, Hochschullehrer zu sein. Denn Benjamin Risse gehört laut Metriken wie "ResearchGate" mittlerweile nicht nur zur Weltspitze der KI-Forschung. In seinem Büro stehen auch vier Auszeichnungen für exzellente Lehre - vergeben von der Uni Münster und der Gesellschaft für Informatik. Bescheiden und ehrgeizig, fair und streitbar - Eigenschaften, die Benjamin Risse vereint. Vor allem aber ist er engagiert. Doch bei einem Problem kann ihm bisher weder die klassische Informatik noch die moderne KI helfen: mehr Stunden am Tag schaffen, um all seinen Aufgaben und Interessen noch intensiver nachzugehen. Sollte ihm das dennoch gelingen, will er sich künftig den Missverständnissen rund um die KI widmen. "Ich möchte den Befürchtungen mancher Kollegen auf den Grund gehen, um einen aufgeklärten Umgang mit dieser Technologie zu fördern und weiterhin naturwissenschaftliche, geologische und medizinische Herausforderungen anzugehen."
Autor: André Bednarz
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 5. November 2025.