07/18/2025 | Press release | Archived content
Hochrisiko-KI: DAV sieht Klarstellungsbedarf für KI-Einsatz in der Justiz - DAV
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich an der gezielten Konsultation der EU-Kommission zur Implementierung der Vorschriften der europäischen KI-Verordnung zu Hochrisiko-KI-Systemen beteiligt, vgl. DAV-Stellungnahme Nr. 38/25 (auf Englisch). Die Konsultation dient der Kommission zur Vorbereitung von Leitlinien zur Einstufung von Hochrisiko-KI-Systemen und den damit verbundenen besonderen Anforderungen und Verpflichtungen, etwa im Bereich Justiz oder am Arbeitsplatz. Die Vorschriften für Hochrisiko-KI-Systeme im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 KI-Verordnung sind ab dem 2. August 2027 anwendbar. Der DAV sieht weiterhin Klarstellungsbedarf in Bezug auf die Kategorisierung als Hochrisiko-KI etwa bei der Nutzung eines KI-Chatbots durch Richter:innen, um eine rechtliche Bewertung eines Falls zu erstellen. Der DAV besteht auf die menschliche Letztentscheidung und warnt vor menschlichen Tendenzen, automatisierten Systemen übermäßig zu vertrauen (sog. automation bias). Der DAV begleitet die Umsetzung der KI-Verordnung kontinuierlich und beteiligt sich regelmäßig an den Konsultationen der EU-Kommission (vgl. zuletzt StN Nr. 67/24 zu Leitlinien für die KI-Definition sowie verbotenen Praktiken und StN Nr. 19/25 zu Leitlinien für KI mit allgemeinem Verwendungszweck; s. auch EiÜ 22/25 und 31/24).
Code of Practice für KI mit allgemeinem Verwendungszweck - KOM
Am 10. Juli 2025 veröffentlichte die EU-Kommission nach langem Erwarten ihren Verhaltenskodex für KI mit allgemeinem Verwendungszweck, vgl. PM. Er soll Unternehmen Praxishinweise liefern im Hinblick auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften in der KI-Verordnung, die ab dem 2. August 2025 Anwendung finden. Der Leitfaden wurde in den letzten Monaten unter Einbeziehung von Interessenträgern erstellt. Enthalten ist unter anderem ein benutzerfreundliches Modelldokumentationsformular, das KI-Anbietern die Erfüllung ihrer Dokumentationspflichten erleichtern soll. Praktische Lösungsansätze zu Konflikten mit Urheberrechten sowie zur Bewertung und Minderung systemischer Risiken sind ebenfalls vorgesehen. Der Kodex ist freiwilliger Natur. KI-Anbieter, die ihn unterzeichnen, profitieren von geringerem Verwaltungsaufwand und mehr Rechtssicherheit. Ergänzt wird der Kodex durch bislang noch nicht veröffentlichte Leitlinien der EU-Kommission zu KI mit allgemeinem Verwendungszweck, die insbesondere den Anwendungsbereich konkretisieren (s. bereits EiÜ 16/25). Im Rahmen der durch die EU-Kommission durchgeführten Konsultation für die Leitlinien, konstatierte der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 19/25 weiteren Klarstellungsbedarf sowie eine unzureichende Berücksichtigung technischer Entwicklungen (siehe EiÜ 22/25). In einem letzten Schritt müssen die EU-Mitgliedsstaaten den Verhaltenskodex billigen.
Vorschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU - KOM
Für den Sieben-Jahres-Zeitraum von 2028 bis 2034 sollen der EU insgesamt Haushaltsmittel in Höhe von fast zwei Billionen Euro zur Verfügung stehen, circa 900 Milliarden Euro mehr als zurzeit. So sieht es die Mitteilung der EU-Kommission zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sowie der entsprechende Verordnungsvorschlag COM(2025) 571 vor. Der MFR setzt Ausgabenobergrenzen für mehrjährige Zeiträume fest, um über die Jahreshaushaltspläne der EU hinaus längerfristig Planungssicherheit und Haushaltsdisziplin zu gewährleisten. Die Vergabe von EU-Haushaltsmitteln an die Mitgliedstaaten und Regionen soll über die Dachverordnung und die Aufbau- und Resilienzfazilität weiterhin von der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der EU-Grundrechtecharta abhängig sein - die Auszahlung bei systemischen Mängeln notfalls mittels der Konditionalitätsverordnung 2020/2092 ausgesetzt werden können. Auch sollen ab 2028 Angaben zu den Begünstigten von EU-Mitteln in einer zentralen Datenbank veröffentlicht werden. Der Kommissionsvorschlag muss nun vom Rat verhandelt und gem. Art. 312 Abs. 2 AEUV nach Zustimmung des EU-Parlaments einstimmig angenommen werden.
Europäischer Haftbefehl: Vollstreckung im Inland statt Übergabe - EuGH
Wenn ein Staatsangehöriger oder Einwohner eines Mitgliedstaates per Europäischem Haftbefehl gesucht wird und dieser Mitgliedstaat die Person nicht an den Ausstellungsmitgliedstaat übergeben will, weil eine Grundrechtsverletzung droht, soll der ablehnende Mitgliedstaat die Strafe gegen diese Person selbst vollstrecken müssen. Dies schlägt Generalanwalt Rantos dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in seinen Schlussanträgen (Rs. C-722/23) vom 10. Juli 2025 vor. In einem früheren Urteil (Verb. Rs. C-404/15, C-659/15) hatte der EuGH bereits entschieden, dass ein Mitgliedstaat die Übergabe einer Person ablehnen darf, wenn die Gefahr einer Verletzung ihrer Grundrechten besteht. Dies ergebe die Auslegung des Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten im Lichte von Art. 4 der EU Grundrechtecharta. Ist die gesuchte Person zudem Staatsangehöriger des Vollstreckungsstaates oder hat ihren Wohnsitz dort, erlaubt Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses die Ablehnung der Übergabe unter der Bedingung, dass der ablehnende Mitgliedstaat sich zur Vollstreckung der Strafe im Inland verpflichtet. Laut Generalanwalt Rantos muss diese innerstaatliche Vollstreckung auch in Fällen der Ablehnung einer Übergabe wegen einer drohenden Grundrechtsverletzung erfolgen, um eine Straflosigkeit zu vermeiden. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH dieser Ansicht folgt.
EEA: Richtervorbehalt ist nicht gleich Richterzuständigkeit - EuGH
Dass eine Ermittlungsmaßnahme nach nationalem Recht von einem Gericht genehmigt werden muss, führt nicht zwingend dazu, dass eine entsprechende Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) nur von einem Gericht angeordnet werden kann. So entschied der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Juli 2025 in der Rechtssache C-635/23. Mittels einer EEA können die Behörden eines Mitgliedstaates die Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme in einem anderen Mitgliedstaat durch dessen Behörden anordnen. Dies regelt die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen. Deren Art. 2 lit. c sieht vor, dass eine EEA nicht nur von Justizbehörden (Gerichten und Staatsanwaltschaften) angeordnet werden kann, sondern auch von jeder anderen von den Mitgliedstaaten bezeichneten Ermittlungsbehörde, die nach nationalem Recht für die Anordnung der Beweiserhebung in Strafverfahren zuständig ist. Der EuGH stellte nun klar, dass eine solche andere Ermittlungsbehörde auch dann für die Anordnung der Beweiserhebung "zuständig" ist, wenn sie die Anordnung nach nationalem Recht nicht alleine treffen kann, sondern die Genehmigung einer Justizbehörde einholen muss.
Überarbeitung der EU-Kartellverfahrensvorschriften - KOM
Die EU-Kommission will die Verfahrensvorschriften des Europäischen Wettbewerbsrechts überarbeiten und hat dazu eine öffentliche Konsultation eröffnet. Um die wirksame und einheitliche Anwendung der zentralen EU-Wettbewerbsvorschriften der Art. 101 und 102 des AEUV weiterhin zu gewährleisten, sollen die entsprechenden Verfahrensvorschriften (Verordnung (EG) 1/2003 und Durchführungsverordnung (EG) 773/2004) überarbeitet werden. Die EU-Kommission konsultiert nun zu den verschiedenen Optionen einer Überarbeitung. Handlungsbedarf mit Blick auch auf die Untersuchungsbefugnisse der EU-Kommission sieht diese vor dem Hintergrund der durch die Digitalisierung sich enorm vervielfachten Datenmengen und den entsprechenden Aufwand bei Untersuchungen. Ferner sieht sie potenziellen Handlungsbedarf aufgrund der steigenden Zahl an strengeren innerstaatlichen Vorschriften über einseitige Handlungen mit Blick auf die gebotene kohärente Durchsetzung der europäischen Vorschriften, vgl. zu den Ergebnissen einer vorangegangenen Evaluierung im September 2024 bereits EiÜ 30/24. Die Möglichkeit der Beteiligung an der Konsultation besteht noch bis bis zum 2. Oktober 2025.
Sommerpause und Sommerausgabe - DAV
Wir verabschieden uns mit dieser Ausgabe in die Sommerpause und wünschen allen Leser:innen von Europa im Überblick eine erholsame Ferienzeit. Wir melden uns während der Sommerpause in der Woche vom 4. August einmal zurück mit einer Sommerausgabe.