Federal Ministry for the Environment, Climate Protection, Nature Conservation and Nuclear Safety

11/03/2025 | Press release | Distributed by Public on 11/03/2025 09:04

Rede von Carsten Schneider auf dem Energiewende-Kongress der dena

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie am Beginn einer spannenden Woche. Wir haben in dieser Woche, morgen, die Entscheidung im EU-Umweltministerrat über die Energie- und Klimapolitik der nächsten anderthalb Jahrzehnte, wir haben den Beginn der Weltklimakonferenz in Belém, an der der Bundeskanzler teilnehmen wird. Und wir haben eine Situation, ich komme gerade aus Toronto vom G7-Treffen, gemeinsam mit meiner Kollegin Katharina Reiche war ich dort, und ich zitiere eine mexikanische Kollegin: die Unsicherheit ist die neue Sicherheit. Also die Unsicherheit darüber, was so passiert. Sie sprachen gerade einen Hacker-Angriff an. Solche Angriffe können zu einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit über mehrere Monate führen, ich habe das auch selbst schon erlebt. Diese Art von Einschränkungen, diese Angriffe werden wir überall auch weiter erleben. Deshalb ist Resilienz ein ganz zentraler Faktor, Resilienz aber auch Planungssicherheit.

Herzlichen Glückwunsch an die dena für 25 Jahre Arbeit. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank an die vielen Kolleginnen und Kollegen, die in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten dazu beigetragen haben, dass uns in Deutschland die Energierevoution für die Welt gelungen ist.

Damals, 1999, da haben wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Bundestag beschlossen und wurden belächelt. Das hat nicht nur dazu geführt, dass wir in Deutschland unsere Energie zu großen Teilen aus Erneuerbaren jetzt beziehen können, mit steigender Tendenz, sondern, dass es ein weltweiter Exportschlager geworden ist und wir in diesem Jahr erstmals mehr Verstromungen aus Erneuerbaren hatten als aus Kohle. Riesiger Erfolg, auf den wir hier in Deutschland stolz sein können.

Diese Konferenz, zu der ich heute eingeladen bin, sie ist ein Impulsgeber dafür, wie es mit der Transformation hin zu einer klimaneutralen, sicheren und zukunftsfesten Wirtschaft weitergeht. Die Bürgerinnen und Bürger, genauso wie die Unternehmen, sind auf einen verlässlichen und planbaren Weg angewiesen.

Und ja, es ist verständlich, und ich weiß das auch aus meiner Tätigkeit als Abgeordneter in Erfurt und Weimar, dass Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen, sich Sorgen machen angesichts der vielen Probleme: Strukturwandel bis hin zu amerikanischen Zöllen, der Krieg Russlands gegen die Ukraine und der Angriff dort, insbesondere auf die Energieversorgung dort. Immer wieder ist die Energieversorgung das zentrale Angriffsziel der Armee. Im Vorfeld des Winters der kommt, umso mehr tun wir gut daran, nicht nur im Eigeninteresse, sondern auch gegenüber den Menschen in der Ukraine, sie dabei zu schützen. Und denjenigen, die die Energieversorgung dann wieder mit aufbauen ganz ganz herzlichen Dank auch von meiner Seite hier in Deutschland.

Viele Menschen denken beim Klimaschutz zunächst an die Kosten, an Verbote, an Einschränkung. Gerade jetzt scheint Klimaschutz für manche hier ein teurer Luxus zu sein. Dazu kommt, dass es politische Parteien oder Strömungen gibt, die diese Erzählung befeuern. Ich will hier die Erzählung gar nicht im Einzelnen wiederholen. Sie versuchen den Menschen weiszumachen, dass ein Verharren innerhalb der fossilen Technologien oder ein Zurück zur Atomkraft einfacher, billiger, sicherer und wirtschaftlich besser für Deutschland wäre. Das schlägt sich in Meinungsumfragen auch durch, deswegen gilt: In einer Demokratie muss man ständig und stets um die Köpfe der Menschen kämpfen. Mit Argumenten, mit Intellekt und auch mit guten Ergebnissen. Deshalb, meine Damen und Herren, muss von diesem dena-Kongress nicht nur das Signal ausgehen, dass Deutschland Energiewende kann. Wir müssen auch noch besser erklären und vermitteln, was die einzelnen Menschen und die Unternehmen davon haben. Vor allem aber auch, was es kostet, nicht umzusteigen und in der alten fossilen Welt zu bleiben. Meine Botschaft an dieser Stelle ist, dass wir uns es gar nicht leisten können, Klimaschutz zu vernachlässigen. Weniger Klimaschutz bedeutet mehr Abhängigkeit von Gas- und Öllieferungen aus dem Ausland. Genauso wie von der erratischen Zollpolitik von Präsident Trump und von der chinesischen Marktabschottungspolitik. Die Abhängigkeit von vermeintlich günstigem russischem Öl und Gas hat Deutschland eine Zeit lang genutzt. Aber es hat uns sicherheitspolitisch geschwächt und die Kriegskasse im Ostblock gefüllt. Wenn wir diese Lektion gelernt haben, sollten wir uns nicht sofort in die nächste Abhängigkeit begeben.

Weniger Klimaschutz würde am Ende auch zu höheren Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher führen, an der Tankstelle, im Heizungskeller und auch im Supermarkt. Und außerdem würde weniger Klimaschutz die internationale Zusammenarbeit schwächen. Es waren schließlich 196 Staaten, die das Pariser Klimaschutzabkommen geschlossen haben. Das jährt sich zum zehnten Mal in diesem Jahr. Die Staaten müssen sich darauf verlassen können, dass alle den Weg auch gemeinsam gehen.

Ich muss in diesem Raum niemanden davon überzeugen, dass Klimaschutz unsere Wirtschaft stabilisiert und ihr neue Wachstumschancen eröffnet.

Das Motto der Konferenz lautet "Sicher vorangehen". Es lenkt den Blick darauf, dass die Transformation unserer Wirtschaft und unserer Lebensweise uns mehr Sicherheit bringen kann.

Dieser Aspekt ist über Jahre hinweg zu wenig beachtet worden.

Dabei brauchen wir einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Angefangen bei der Energieversorgungssicherheit über die Sicherung der Lebensgrundlagen, Schutz vor explodierenden Kosten und der damit verbundenen sozialen Unsicherheit, bis hin zum Schutz vor Wetterextremen.

In dieser Gesamtschau wird deutlich, dass Klimaschutz kein Goldrandprojekt ist, kein nice-to-have. Er ist - zusammen mit dem Natur- und Artenschutz - unsere wahrscheinlich wichtigste Versicherung für die Zukunft.

Ich möchte das an drei positiven Bildern konkret machen:

1. Die Windräder der Zukunft drehen sich in kriselnden Regionen von heute.

In vielen Regionen stehen Industriebetriebe unter Druck. Junge Menschen ziehen weg, weil sie keine Perspektive sehen.

Und ja, die zentralen Fragen für das nächste Jahrhundert sind Klimaschutz und Migration, Steuerung der Migration, aber eben auch: Demografie. Deutschland ist das zweitälteste Land der Welt. Und ein Land, das älter ist, von der Bevölkerung her, und das nicht wächst, das ist auch nicht innovativ. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass viele junge Leute aus der ganzen Welt zu uns kommen und diese Republik bunter und stärker machen. Das gilt gerade in Regionen, in denen wir derzeit Wegzug haben, aufgrund von Nicht-Transformation oder von wirtschaftlicher Schwäche. Diese Regionen können auch wieder zurückkommen zur Stärke. Auch mit Windrädern und Solarfeldern und grünen Wasserstoffanlagen. Das kann neues industrielles Leben ermöglichen, neue Jobs, die genau dort entstehen, wo sie gebraucht werden. Handwerksunter.

Denn jede Turbine, jedes Solarpanel und jede Wärmepumpe muss geplant, gebaut, gewartet werden. Und das nicht einmal, sondern jahrzehntelang.

Schon heute arbeiten in Deutschland über 400.000 Menschen im Bereich erneuerbare Energien - Tendenz steigend.

Genauso ist es im Gebäudebereich: Sanierte Wohnhäuser, Rathäuser, Schulen und Schwimmbäder machen das Leben komfortabler, schöner und energieeffizienter. Und sie laden ein zu bleiben. Dafür sind regionale Firmen gefragt, von Energieberatern über Planerinnen bis zu den Handwerksunternehmen.

2. Sonne und Wind sind günstig geworden - fossile Energien werden teurer.

Deutschland hat im Jahr 2022 über 120 Milliarden Euro für fossile Energieimporte ausgegeben. Das war sicher das Höchstjahr, verursacht durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Aber wir haben damals 120 Milliarden Euro ausgegeben. 120 Milliarden Euro. Muss das sein? Dieses Geld fließt aus Deutschland ab - und das auch noch oft in politisch instabile Regionen, die nicht alle unsere Freunde sind.

Die Kosten für neue Windenergieanlagen und Solaranlagen sind dagegen massiv gesunken. Erneuerbare Energien sind mittlerweile die günstigste Form, Energie zu erzeugen.

Jede Kilowattstunde, die wir mit Sonne, Wind oder Biomasse erzeugen, bleibt in der heimischen Wertschöpfungskette vor Ort. Neben dem Sicherheitsgewinn haben wir also auch einen wirtschaftlichen Gewinn. Und lassen Sie mich ergänzen: er muss auch noch stärker in den Regionen vor Ort verbleiben.

Die Energiewende hat auch eine soziale Dimension. Neben der stärkeren Erzeugung aus Erneuerbaren muss auch klar sein, dass die Energiewende nicht zur Überforderung von Menschen, gerade mit kleinen und mittleren Einkommen führen darf.

Und zum Zweiten: dort, wo die Energieerzeugung stattfindet, muss dann auch eine stärkere Wertschöpfung stattfinden. Indem, wie bisher schon, Industrien dort angesiedelt werden, aber vor allem indem diejenigen, die die Windräder vor der Nase haben, auch ein bisschen was davon haben. Entweder einen günstigeren Strompreis oder eben auch zusätzliche Einnahmen für ihre Gemeinden. Das fördert und stärkt die Akzeptanz - Glauben Sie mir das, ich war vier Jahre Ostbeauftragter, ich weiß, wovon ich spreche.

3. Wer in der Transformation vorne ist, gewinnt neue Marktanteile.

Immer mehr Länder setzen auf Erneuerbare Energien. Die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien explodiert förmlich. Im ersten Halbjahr 2025 ist weltweit erstmals mehr Grünstrom als Kohlestrom produziert worden.

Deutschland hat das Know-how, die Ingenieure, die Unternehmen. Aber wir dürfen nicht warten, bis andere uns überholen - wie bei der Elektromobilität.

Wir haben die Chance als Vorreiter neue Antworten auf die Herausforderungen der Energiewende zu geben.

Aber auch in der Kreislaufwirtschaft, bei GreenTech und Sustainable Finance können deutsche Unternehmen mit ihren Innovationen neue Märkte erschließen und anführen.

Wenn man im Land herumkommt, sieht man viele mittelständische Betriebe -- die längst Teil der Lösung sind. Sie sanieren Gebäude, sie installieren PV-Anlagen, sie entwickeln neue Speicherlösungen. Diese Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft - und die Treiber für Energiewende und Klimaschutz.

Aber sie müssen sich auf den politischen Rahmen verlassen können. Nur wenn wir die auf Klimaneutralität ausgerichteten Ausbaupfade für erneuerbare Energien beibehalten, schaffen wir Spielraum für nachhaltiges Wachstum, für mehr Energiesicherheit und für mehr Klimaschutz. Ich sage das im Rahmen der nationalen Gesetzgebung, aber vor allem auch im Hinblick auf den EU-Umweltrat morgen: Unternehmen, die vorangehen, dürfen nicht durch ein Aufweichen der Ziele bestraft werden.

Deshalb ganz klar: Die Bundesregierung steht zum Ziel Klimaneutralität bis 2045.

Mit dem Klimaschutzprogramm legen wir als Bundesregierung fest, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Ich möchte das neue Klimaschutzprogramm für diese Legislaturperiode so schnell wie möglich vorlegen. Daher freue ich mich, dass alle verantwortlichen Ressorts Maßnahmenvorschläge für das Programm an mein Haus übermittelt haben.

Es ist in unserem Interesse, dass auch EU-weit in einem ähnlichen Tempo weitergemacht wird mit der Dekarbonisierung wie hier in Deutschland.

Dafür werde ich mich morgen auf einem Sonderumweltrat in Brüssel einsetzen. Es muss gelingen, sich unter den Mitgliedstaaten auf ein neues ambitioniertes EU-Klimaziel für 2040 zu einigen.

Für Deutschland als Industrieland ist insbesondere der Gleichklang innerhalb der europäischen Union von zentraler Bedeutung. Wir brauchen ein Level Playing Field, und geht nur im Gleichklang mit allen anderen Ländern. Dafür setze ich mich ein und bin zuversichtlich, dass das morgen auch gelingen wird.

In der kommenden Woche beginnt die Weltklimakonferenz in Brasilien. Es ist wichtig für das Gelingen der Konferenz, dass die EU mit einem ehrgeizigen Klimaziel anreist. Die Bundesregierung steht dort geschlossen.

Ich setze mich in der Bundesregierung dafür ein, dass wir den eingeschlagenen klaren Kurs der Energiewende im Strombereich und im Wärmebereich halten.

Bei der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes werden wir die Umsetzung erleichtern, aber nicht das Ambitionsniveau absenken. Es bleibt dabei, dass neue Heizungen 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen müssen. Ich bin dafür, dass wir sehr schnell zu klaren Entscheidungen kommen, dass der Attentismus, der sich in Teilen ausbreitet, nicht weiter Futter kriegt.

Die Zeiten sind herausfordernd, die Welt ist es auch. Wir gucken sehr oft in die Vereinigten Staaten von Amerika oder nach China. Ich empfehle den Blick nach China. China ist sicherheitspolitisch für uns eine große Herausforderung.

Es gibt kein Land auf der Welt, das so schnell, so stark seine Wirtschaft dekarbonisiert und den Erneuerbaren-Ausbau voranbringt und in neue Technologien investiert. Wer sich also nur auf die Amerikaner bezieht, verkennt den wachsenden Anteil im Rest der Welt. Deswegen: Partnerschaften suchen, da wo es in unserem nationalen und europäischen Interesse liegt und dafür sorgen, dass wir innovativ und erfolgreich bleiben.

Vielen Dank.

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