eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.

01/10/2025 | News release | Distributed by Public on 01/10/2025 02:17

Agenda für ein digitales Deutschland 2030

Im Dossier der Süddeutschen Zeitung erschien am 10. Januar 2025 folgender Gastkommentar von eco Geschäftsführer Alexander Rabe:

Deutschland steht vor einer Neuwahl. Am 23. Februar 2025 entscheiden die Wahlberichtigten in Deutschland über neue Mehrheiten im Deutschen Bundestag und somit auch über eine neue Bundesregierung. Welche Rolle wird Digitalpolitik bei dieser Wahl und in den danach anstehenden Koalitionsverhandlungen spielen?

Als Mitglied des Beirats zur Umsetzung der Digitalstrategie habe ich die letzten zwei Jahre einige Einblicke in die Umsetzung von Digitalvorhaben in der aktuellen Bundesregierung erhalten. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich allen zukünftigen Verantwortlichen im Bund nur dringend dazu raten, sich für dieses Kapitel der Koalitionsverhandlungen Zeit sowie externe Expertise in Anspruch zu nehmen.

Zwar hatte auch die bisherige Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag einige wichtige digitalpolitische Weichenstellungen angekündigt, so u.a. auch ein Digitalministerium, eine Digitalstrategie und ein eigenes Digitalbudget. Leider waren damit jedoch keine grundlegenden Veränderungen der politischen und verwaltungstechnischen Abläufe verbunden.

Die aktuellen Rahmenbedingungen und Strukturen für die Umsetzung von Digitalprojekten sind nach wie vor mangelhaft und führen zu Ineffizienz und Frustration bei allen Beteiligten. Viele digitalpolitische Dauerbaustellen konnten daher auch in dieser Legislatur nicht beseitigt werden. Nach wie vor warten wir auf:

+ eine zeitgemäße und funktionsfähige digitale Verwaltung,

+ flächendeckend vergleichbare digitale Bildung,

+ ein zukunftsfähiges Ökosystem leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen und

+ eine kohärente IT-Sicherheitspolitik.

Klar ist: Die kommende Bundesregierung muss deutlich entschlossener und konsequenter handeln, um Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und auch die staatliche Handlungsfähigkeit nachhaltig zu sichern.

Hierfür brauchen wir eine digitalpolitische Prozessrevolution, die mit neuen Strukturen, Verantwortlichkeiten und Ressort-Zuschnitten darauf ausgerichtet ist, die digitale Transformation von Staat, Verwaltung und Gesellschaft voranzutreiben. Die Grundpfeiler dafür müssen bereits im Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung klar festgelegt werden.

Wesentliche Bausteine dieser Neuordnung staatlicher Prozesse muss eine von allen Regierungsparteien mitgetragene Digitalstrategie für ein Digitales Deutschland 2030 sein. Dazu braucht es ein potentes Digitalministerium mit ressortübergreifenden Kompetenzen, ausgestattet mit einem eigenen Digitalbudget, welches auch Finanzierungszusagen über die Legislaturperiode hinaus geben kann, sowie einem Vetorecht bei Regulierungs- oder Umsetzungsvorhaben, die dem Geiste der Digitalstrategie widersprechen. In einem solchen Digitalministerium werden idealerweise alle zentralen Kompetenzen für digitale Infrastrukturen, Dienste und angrenzende Regulierung gebündelt.

Es muss zudem ein dauerhafter und verbindlicher Austausch zur Digitalstrategie zwischen Bund und Ländern nach dem Vorbild der jüngst etablierten D17 Konferenz aufgebaut und verstetigt werden.

Es gilt aber auch einen Flickenteppich digitalpolitischer Regulierung und schlimmstenfalls widersprüchlicher Gesetzgebung im Digitalbereich zu verhindern und zu stoppen. Dies bedeutet auch ein klares und auf Basis der Digitalstrategie abgestimmtes Stimmverhalten Deutschlands auf europäischer Ebene.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Auf Basis der neuen digitalpolitischen Entscheidungsstrukturen sollte die neue Bundesregierung möglichst schnell folgende Punkte angehen:

  1. Ein klares Zielbild für ein "Digitales Deutschland 2030": Für die Digitalstrategie einer zukünftigen Regierung gilt, dass sie ein klares Zielbild benötigt, auf das alle Digitalprojekte und Aktivitäten der Bundesregierung dann auch einzahlen. Von diesem Zielbild ausgehend sind konkrete Maßnahmen zu formulieren, die mit transparenten Indikatoren und robusten Mechanismen zur Evaluation unterlegt werden.
  2. Wirkungsanalyse statt Überregulierung: Bevor neue Regeln erlassen werden, sollte eine fundierte Analyse der bestehenden Regulierung erfolgen, um Doppelstrukturen zu vermeiden und die Wirksamkeit der Digitalgesetzgebung zu steigern.
  3. Ein konsequenter Abbau bürokratischer Hürden und insbesondere in der laufenden Legislatur neu geschaffener Dokumentationspflichten sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche und schnelle digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sowie für einen wettbewerbsfähigen Digitalstandort Deutschland.
  4. Ein entschiedener Netzausbau: Ein schneller Ausbau von Glasfaser-, 5G- sowie die Schaffung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen für Anbieter des Ökosystems digitalen Infrastrukturen wie Rechenzentrumsbetreiber und Cloud-Infrastrukturanbieter, die das Fundament eines souveränen Digitalstandorts Deutschland bilden.
  5. Die stringente Umsetzung zentraler europäischer Vorgaben: Die Implementierung von NIS2, CER (Critical Entities Resilience Directive) und der KI-Regulierung (AI Act) muss zügig und konsistent auf Bundes- und Landesebene erfolgen, um EU-Vorgaben zu erfüllen und Unsicherheiten der Wirtschaft zu vermeiden.

Die Wirtschaft in Deutschland muss vor allem entlastet und nicht weiter belastet werden. Dazu braucht es einen Dreiklang aus Entbürokratisierung, einer forcierten Digitalisierung und einer Reduzierung international nicht wettbewerbsfähiger Steuern und Abgaben.

Um Innovationskraft aufrechtzuerhalten, bedarf es darüber hinaus konsequenter Unterstützung im Bereich der angewandten Forschung und Entwicklung, zudem weiterhin gezielter Förderung insbesondere von KMU bei der digitalen Transformation und der Generierung neuer digitaler Wertschöpfungsketten.

All diese Maßnahmen beschreiben im Kern ein Umdenken in der Digitalpolitik: Weg von einer Regulierung, die sich auf Abwehrschlachten internationaler Technologiekonzerne konzentriert - hin zu einer chancenorientierten Zukunftspolitik, die die Lösungspotenziale und den wirtschaftlichen Impact der digitalen Transformation für den Standort Deutschland und Europa erkennt und konsequent nutzt.