05/05/2025 | Press release | Distributed by Public on 05/05/2025 06:07
Wien (PK) - Im Zentrum des diesjährigen "Gedenktags gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus" im Parlament stand der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim und die Erinnerung an die dort ermordeten Menschen. Schloss Hartheim war eine von sechs Tötungsanstalten der NS-Euthanasieaktion "T4". Von 1940 bis 1944 wurden hier bis zu 30.000 Menschen ermordet. Dabei handelte es sich um Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Neben Bewohnerinnen und Bewohnern von Psychiatrien und Pflegeheimen für Menschen mit Behinderung fielen dem Morden auch arbeitsunfähige KZ-Häftlinge aus den Lagern Mauthausen, Gusen, Ravensbrück und Dachau sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Osteuropa zum Opfer.
Zu der Veranstaltung, die live auf ORF II übertragen wurde, hatte das Nationalratspräsidium Walter Rosenkranz, Peter Haubner und Doris Bures gemeinsam mit der Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler in den Bundesversammlungssaal im Parlament geladen. Zweiter Nationalratspräsiden Haubner hielt die Eröffnungsrede, in der er betonte, dass der 5. Mai nicht nur ein Gedenktag an Vergangenes sei, sondern auch eine Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft zum Ausdruck bringe, damit sich Derartiges nie wieder wiederholen könne.
Moderiert wurde die Veranstaltung von der ORF-Journalistin Nadja Bernhard. Nadja Bernhard sagte in ihrer Begrüßung, es sei ihr eine besondere Ehre und Freude, Überlebende des Holocaust und des NS-Terrors sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu der Veranstaltung begrüßen zu dürfen. Das österreichische Parlament bemühe sich intensiv um die Pflege und Bewahrung der Erinnerung an die Opfer von Gewalt und Rassismus. Eine lebendige Erinnerungskultur sei Teil einer offenen, toleranten und reflektierten Gesellschaft.
Als Einführung in das Thema der Gedenkveranstaltung wurde ein Ausschnitt aus der ORF-III-Dokumentation "Schloss Hartheim - Die NS-Mordanstalt" gezeigt. Thomas Hackl und Martina Hechenberger beleuchten darin den Massenmord des NS-Regimes im oberösterreichischen Schloss Hartheim, dem zwischen 1940 und 1944 rund 30.000 Menschen zum Opfer fielen.
Schloss Hartheim war die größte der so genannten "Euthanasieanstalten" des Deutschen Reiches". 1898 wurde im Schloss vom "Oberösterreichischen Landeswohltätigkeitsverein" eine Einrichtung zur Behindertenbetreuung etabliert, in der etwa 200 Menschen mit Behinderungen aus Oberösterreich lebten. Im Dezember 1938 wurde der bisherige Trägerverein aufgelöst und die Leitung der Anstalt der Fürsorgeabteilung der Gau-Selbstverwaltung übertragen. Das Morden begann im Frühjahr 1940, als das Schloss innerhalb weniger Wochen zu einer NS-Euthanasieanstalt im Rahmen der später so genannten "Aktion T4" umgebaut wurde. Die vormaligen Bewohner:innen des Schlosses wurden erst in andere Pflegeanstalten im Gau Oberdonau gebracht und bald darauf die ersten Opfer der Tötungsanstalt Hartheim.
Im Mai 1940 begannen die Morde in einer Gaskammer mittels Kohlenmonoxid. Die Opfer der "Aktion T4" waren Personen mit körperlicher und geistiger Behinderung sowie psychischen Erkrankungen aus psychiatrischen Anstalten, Pflegeeinrichtungen und Fürsorgeheimen. Zudem wurden mit der "Aktion 14f13" oder "Sonderbehandlung 14f13" arbeitsunfähige Häftlinge aus den KZ-Systemen Mauthausen-Gusen, Dachau und Ravensbrück sowie zivile Zwangsarbeiter:innen aus Osteuropa und der Sowjetunion nach Hartheim gebracht. Zur Jahreswende 1944/45 versuchte man, mit Rückbauarbeiten im Bereich der Tötungsanlagen alle Spuren des Geschehens zu beseitigen. Trotzdem tauchen immer wieder Akten, Fotografien, Fundstücke und Daten jener Menschen auf, deren Leben eng mit Hartheim verbunden war oder dort endete.
Am 5. Mai erinnern wir uns an die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen und damit an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte, hob Zweiter Nationalratspräsident Peter Haubner in seinen Eröffnungsworten hervor. Der besondere Blick soll heute auf die zehntausenden Opfer der Tötungsanstalt Hartheim gerichtet werden. Frauen, Männer und Kinder, die wegen einer Behinderung oder Krankheit als "lebensunwert" betrachtet wurden. Ihr Tod sei aber keine Tragödie des Zufalls gewesen, sondern ein systematisches und perfides Verbrechen, betonte Haubner. Er sei penibel geplant, emotionslos verwaltet und wie eine Statistik vollzogen worden. Ein Akt des Zynismus und des Rassenwahns.
Dabei habe es sich um kein isoliertes Verbrechen gehandelt, es sei vielmehr Teil eines Systems gewesen, das Millionen Menschen das Leben gekostet habe: Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Menschen mit Behinderung, Zeugen Jehovas - und viele andere. Nun sei es unsere Aufgabe, den vielen Opfern ihre Namen, ihre Gesichter und ihre Geschichten zurückzugeben, zeigte sich der Zweite Nationalratspräsident überzeugt.
Antisemitismus sei auch kein Phänomen der Vergangenheit, stellte Haubner mit Nachdruck fest. Allein im Jahr 2024 seien in Österreich über 1.500 antisemitische Vorfälle registriert worden, was einem Anstieg von 30 % entspricht. Auch die Antisemitismusstudie des Parlaments zeige deutlich, dass es ein wachsendes Problemfeld unter Jugendlichen gebe, vor allem bei einem Holocaust-bezogenen und israelbezogenen Antisemitismus. Wenn Antisemitismus in Europa und weltweit im Steigen begriffen sei - ganz egal, ob von rechts, links oder aus dem migrantischen Umfeld - dann gelte es, Jüdinnen und Juden beizustehen. Es dürfe kein Verständnis für Gewalt, keine Relativierung von Terror geben und kein Platz für Antisemitismus sein. Auch in der Vergangenheit habe das Unfassbare nicht erst hinter den Mauern der Konzentrationslager seinen Anfang genommen, sondern in den Gassen der Städte, in den Wohnungen und Häusern. Es habe mit dem Wegsehen begonnen und dort, wo Hass hingenommen wurde. Das Schlimme komme nämlich nicht plötzlich, sondern es beginne leise. Mit einem kleinen Satz wie "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen".
Der 5. Mai sei daher kein Tag des bloßen Erinnerns, sondern ein Bekenntnis zur Menschlichkeit, zur historischen Verantwortung und zu einem "Nie wieder", unterstrich der Zweite Nationalratspräsident. Denn Erinnerung ohne Konsequenz sei eine leere Geste und Gedenken ohne Haltung sei bedeutungslos. Als er letzte Woche das KZ Mauthausen besucht habe, habe ihn ein Satz, der auf dem Mahnmal für die griechischen Opfer stand, zutiefst berührt: Vergiss uns nicht, die wir hier getötet wurden, denn das Vergessen des Bösen ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung. (Fortsetzung Gedenkveranstaltung) sue/sox
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.