11/13/2025 | Press release | Distributed by Public on 11/14/2025 01:36
Der Handel zähle zu den wichtigsten Wohlstandstreibern des Landes. Er beschäftige rund drei Millionen Menschen, davon drei Viertel Sozialversicherte sowie 150.000 Auszubildende, so Bundeskanzler Friedrich Merz beim Kongress des Handelsverbands Deutschlands in Berlin. Er machte deutlich, wie die Bundesregierung Handel und Wirtschaft in Deutschland wieder voranbringen will.
Das Wichtigste in Kürze:
Fachkräfte sichern: Die deutsche Wirtschaft brauche gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine qualifizierte Zuwanderung. Die Bundesregierung werde mit der "Work-and-Stay-Agentur" die Einwanderung in den Arbeitsmarkt komplett neuordnen und von den Asylverfahren trennen. Mit der Aktivrente sollen Beschäftigte im Rentenalter freiwillig länger arbeiten können.
Einzelhandel in den Städten stärken: "Wir brauchen in unseren Städten einen funktionsfähigen Einzelhandel", forderte Merz. Eine beinahe Verdopplung der Städtebauförderung in dieser Wahlperiode werde dazu beitragen, die Bedingungen für den Einzelhandel in den Innenstädten deutlich zu verbessern.
Von Kosten entlasten: Die größte Unternehmensteuerreform der letzten 15 Jahre werde Unternehmen entlasten. Bessere Steuerabschreibungen sollen Investitionen und Wachstum anregen. Die Energiekosten für private Haushalte und Unternehmen würden zum 1. Januar 2026 deutlich sinken. Die Bundesregierung wende zudem Beitragssteigerungen für Renten-, Pflege- und Krankenversicherung zum 1. Januar 2026 ab. "Das ist ein erster, kleiner Erfolg", der Betriebe und Beschäftigte entlaste, so der Kanzler.
Wohlstand durch fairen und freien Handel: Der Zollstreit mit den sei zum Teil gelöst, aber es gebe einen Rückfall in den Protektionismus weltweit, so der Bundeskanzler. Die Bundesregierung setze sich daher gemeinsam mit der weiter für einen offenen, regelbasierten Handel ein. Er habe beispielsweise die -Kommission um einen Vorschlag gebeten, den massenhaften Missbrauch der Zollfreigrenze bei Päckchen vor allem aus China zu stoppen, so der Kanzler. Das -Handelsabkommen mit den lateinamerikanischen -Staaten werde große Handelsvorteile bringen. Ein funktionsfähiger europäischer Binnenmarkt sei besonders wichtig für Deutschland.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:
Bundeskanzler Friedrich Merz:
Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr von Preen,
Herr Hauptgeschäftsführer, lieber Herr Genth,
Frau Rakers,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag - in der Vermutung, dass einige von Ihnen hier sind -,
ich freue mich sehr, dass ich heute hier sein darf, so wie im vergangenen Jahr versprochen. Ich freue mich, dass ich gleich zu Beginn die Gelegenheit hatte, mit einigen jungen, erfolgreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Ihren Unternehmen zusammenzutreffen, die die duale Ausbildung absolviert haben oder noch absolvieren. Meine Damen und Herren, ich will es gleich zu Beginn sagen: Ich freue mich wirklich darüber, dass es junge Menschen gibt, die in Deutschland in die duale Ausbildung gehen. Die duale Ausbildung ist nicht das Zweitbeste, sondern sie ist für viele junge Menschen und für viele Betriebe das Beste, das wir in Deutschland haben, genau diese duale Ausbildung. Deswegen herzlichen Dank, dass ich die Gelegenheit dazu hatte! Es sind Vertreter von über 150.000 jungen Menschen [jedes Jahr], die Sie in der Ausbildung in Ihren Betrieben haben. Das ist eine erfreulich große Zahl. Denn Sie und wir in Deutschland in unserer Volkswirtschaft, wir brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir brauchen gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Trotzdem ist es richtig, dass wir mit dem, was wir haben, nicht auskommen. Wir brauchen auch qualifizierte Zuwanderung. Ich will es gleich an dieser Stelle sagen. Ich habe es, wenn ich mich richtig erinnere, im vergangenen Jahr dargestellt. Das, was wir uns für diese Koalition vorgenommen haben, haben wir nicht nur im Koalitionsvertrag aufgeschrieben, sondern mit einem ganz wesentlichen Meilenstein schon in der vergangenen Woche konkret beschlossen, nämlich die sogenannte Work-and-Stay-Agentur. Wir trennen also auch administrativ die Asylverfahren von den Verfahren der Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Diese Work-and-Stay-Agentur ist das wahrscheinlich größte Digitalprojekt, das wir uns für die laufende Wahlperiode vorgenommen haben. Denn dahinter steht die komplette Neuordnung der Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt. Sie gehen aus den Asylverfahren heraus. Sie biegen nicht mehr irgendwann im Laufe des Verfahrens in den Arbeitsmarkt ab, sondern werden vom ersten Tag an in ein hinsichtlich Arbeitserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis und Anerkennung der Berufsqualifikation völlig anderes, digitales Verfahren aufgenommen. Dahinter liegen sämtliche administrative Verfahren, die wir betreiben. Mit einzelnen Bundesländern wird es auch Pilotprojekte geben. Wir werden jetzt sehr schnell erproben, wie das funktioniert.
Aber das Wichtige ist, dass wir das Signal geben: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein offenes, freiheitliches, liberales und tolerantes Land, und wir wollen Menschen aus aller Herren Länder gewinnen, die nach Deutschland kommen und bereit sind, hier zu arbeiten. Wir reduzieren die irreguläre Migration, aber wir fördern die gute Einwanderung und Migration und Integration in der Bundesrepublik Deutschland durch zwei jetzt wirklich vollkommen voneinander getrennte Verfahren.
Es wird noch etwas dauern, aber wir haben die Beschlussfassung im Kabinett in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht. Wie gesagt, wird es wahrscheinlich das größte Digitalprojekt der laufenden Wahlperiode für uns, für die Bundesregierung, aber vor allem für Sie in den Betrieben der Bundesrepublik Deutschland.
Ich bin hier bei dem großen Handelsverband der Bundesrepublik Deutschland. Sie erwirtschaften rund 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes unserer Volkswirtschaft. Das heißt, dass Sie ein ganz wesentlicher Treiber unseres Wohlstandes sind. Sie beschäftigen rund drei Millionen Menschen, drei Viertel davon sozialversicherungspflichtig. Auf das Thema der geringfügigen Beschäftigung komme ich gern noch zu sprechen. Aber ich will zunächst einmal all denjenigen Dank sagen, die die Betriebe trotz schwierigsten Zeiten aufrechterhalten, auch weiterhin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und vor allen Dingen im Einzelhandel auch in unseren Städten präsent sind. Wir hatten eine intensive Debatte über dieses Thema. Vielen Dank noch einmal, Herr von Preen, für Ihre Kommentierung heute Morgen in einem Interview, das ich zur Vorbereitung natürlich auch gelesen habe.
Wir brauchen, meine Damen und Herren, in unseren Städten funktionsfähigen Einzelhandel. Ich möchte Sie dazu ermutigen und ermuntern, es durchzuhalten, das zu tun. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sie es tun können. Ich ermutige Sie dazu, dabeizubleiben und mit dem Einzelhandel das Gesicht in unseren Städten zu sein.
Die Rahmenbedingungen sind schwierig. Vor allem globale Themen beschäftigen uns in der Koalition im Augenblick stark. Der Krieg in der Ukraine dauert an. Er fordert uns nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch finanzpolitisch. Wir haben es mit geopolitischen Verwerfungen im internationalen Handel zu tun. Wir sehen einen Zollstreit mit den , der nur zum Teil gelöst ist. Wir sehen einen Rückfall in den Protektionismus auf der ganzen Welt. Gerade deshalb ist es für uns, für die Bundesrepublik Deutschland und auch für mich persönlich in meiner Arbeit, wichtig, nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch in der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass wir eine offene Europäische Union bleiben, dass wir einen funktionsfähigen Binnenmarkt in der Europäischen Union haben und dass dieser Binnenmarkt auch weiterhin der Wohlstandstreiber für viele von uns bleibt, trotz Krieg in Europa, trotz neuem Protektionismus auf der Welt und trotz vielen Strukturreformen, die in Deutschland viel zu lange Zeit liegen geblieben sind.
An diese Arbeit haben wir uns gemacht. Wir haben begonnen. Wir haben die ersten Entscheidungen getroffen, schon vor der Sommerpause. Wir haben am 11. Juli im Bundesrat Gesetze verabschiedet, die den ersten großen Teil der Reformagenda für das Jahr 2025 umfassten. Wir haben die größte Steuerreform der letzten 15 Jahren gemacht. Wir haben dafür gesorgt, dass Sie in Ihren Betrieben jetzt sehr gut investieren können, mit dreimal 30 Prozent degressiver Abschreibung. Dadurch können Sie innerhalb von zweieinhalb Jahren zwei Drittel der Investitionssumme für Investitionen in Ihren Betrieben abschreiben.
Aber Abschreibungen muss man verdienen. Das wissen Sie. Das wissen nicht alle in Berlin, aber Sie wissen, dass man Abschreibungen verdienen muss. Deswegen kommen vor der Abschreibung der Umsatz und der Ertrag. Auf diesem Weg, meine Damen und Herren, wollen und müssen wir besser werden. Ich sage es immer wieder und heute auch hier: Deutschland hat nicht ein konjunkturelles Problem, sondern unsere Volkswirtschaft hat ein anhaltendes strukturelles Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Ich füge noch ein Attribut hinzu: mangelnde preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf der Welt. Das müssen wir zusammen lösen. Das betrifft Sozialversicherungskosten, Sozialkosten, Steuern, aber das betrifft natürlich auch Bürokratiekosten.
Genau an diesem Thema setzen wir an. Wir haben auch in diesem Bereich die ersten Weichen gestellt und die Reformen auf den Weg gebracht. Entgegen allen Vermutungen und allen Spekulationen habe ich heute einen Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung im Kabinett, der die vollumfänglichen Zuständigkeiten hat - er hat auch die Kompetenz -, um Digitalisierung und Staatsmodernisierung voranzubringen. Das haben wir zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Kein Bundesland in Deutschland hat seinen Digitalminister - es gibt einige in den Ländern - mit so vielen Zuständigkeiten ausgestattet, wie wir im Bund es getan haben. Karsten Wildberger, der noch dazu aus der Privatwirtschaft kommt - viele von Ihnen kennen ihn; er ist vermutlich oft hier gewesen und mit seinem früheren Unternehmen auch Mitglied Ihres Verbandes - habe ich bewusst aus der Privatwirtschaft ins Kabinett geholt, und zwar als jemanden, der Erfahrung in solchen Prozessen und auch in projektbezogener Arbeit hat. Wir haben eine Projektgruppe eingerichtet, die das Thema der Digitalisierung und Staatsmodernisierung ressortübergreifend voranbringt und die die Work-and-Stay-Agentur in der Zuständigkeit zwischen verschiedenen Ministerien organisiert. Wir arbeiten im Kabinett jetzt also auch mit Strukturen, die eher aus der Privatwirtschaft bekannt sind und bisher in abgegrenzten Ressortzuständigkeiten nicht so an der Tagesordnung, nicht so üblich waren. Sie mögen allein an dieser Struktur unserer Arbeit erkennen, dass wir von dem festen Willen geprägt sind, es besser zu machen, und dass wir es für unsere Volkswirtschaft vor allen Dingen richtig machen wollen. Das geht mit uns, das geht in Deutschland.
Ich will es nebenbei sagen: Es geht nicht nur um das große Projekt, das wir mit der Steuerreform bereits im Juli verabschiedet haben. Wir sind heute und morgen in den Schlussberatungen des Bundeshaushaltes für 2026. Wir werden die Städtebaufördermittel im Laufe dieser Wahlperiode fast verdoppeln, sodass dann auch im Städtebau und in der Städtebauförderung viel geschehen kann, was das Arbeitsumfeld und das Umfeld für Ihre Unternehmen in den Innenstädten unseres Landes deutlich verbessert.
Wir wissen, dass wir bei der Energiepolitik einiges tun müssen. Die ersten Entscheidungen sind bereits getroffen und verabschiedet. Sie treten zum 1. Januar 2026 in Kraft. Wir werden die Energiekosten deutlich senken. Wir werden den Strompreis senken. Wir schaffen die Gasspeicherumlage ab. Wir werden bei den Netzentgelten um insgesamt 6,5 Milliarden Euro entlasten. Das gilt für die privaten Haushalte, aber auch für die Unternehmen.
Meine Damen und Herren, wir werden heute Abend im Koalitionsausschuss darüber sprechen, was die Bundeswirtschaftsministerin gestern in Brüssel erreicht hat. Wir werden in Deutschland für drei Jahre einen Industriestrompreis einführen können. Wir werden auch eine Kraftwerksstrategie beschließen, die wir umsetzen können, mit den Ausschreibungen bereits im nächsten Jahr, sodass wir sukzessive auch die Energiepolitik - ich sage es mit meinen Worten; das wird nicht jeder gern hören - vom Kopf auf die Füße stellen und dafür sorgen, dass nicht nur die Frage, wie wir klimaneutral werden - die Frage bleibt wichtig, und wir wollen sie auch gut beantworten -, sondern vor allem auch die Frage, wie wir mit unserer Volkswirtschaft wieder wettbewerbsfähig werden, jetzt wirklich gut beantwortet wird. Es nützt uns nichts, wenn wir klimaneutral sind und die Unternehmen in Deutschland reihenweise in die Knie gehen. Diesen Weg gehen wir nicht, sondern wir gehen einen Weg, der dafür sorgt, dass beides möglich ist.
Ich habe das auch in der vergangenen Woche auf der Weltklimakonferenz in Brasilien genau so gesagt. Deutschland steht zu den Klimazielen, aber Deutschland macht jetzt Klimapolitik nicht gegen die Wirtschaft, sondern es macht Klimapolitik mit der Wirtschaft. Wir alle sind Verursacher. Wir alle haben dazu beigetragen, dass wir dieses Problem haben. Wir können es nur gemeinsam lösen, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, nicht belehrend durch die ganze Welt ziehend, sondern indem wir mit der Industrie, mit der Wirtschaft dafür sorgen, dass wir diese Ziele gemeinsam erreichen. Nur dann bleibt auch die Akzeptanz der Bevölkerung zu diesem Thema erhalten.
Wir stehen vor großen Reformen in der Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Krankenversicherung. Auch dazu hat es bereits erste Entscheidungen gegeben. Ja, wir werden einiges erst noch in Kommissionen erarbeiten und dann umsetzen. Aber wir haben die ersten präzisen Entscheidungen für das Jahr 2026 getroffen.
Meine Damen und Herren, die Beiträge für Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Krankenversicherung werden zum 1. Januar 2026 nicht steigen. Das ist ein erster, kleiner Erfolg. Ich weiß, dass wir alle wollen, dass sie sinken. Aber wenn es ohne unsere Eingriffe so weitergegangen wäre, dann hätten wir zum 1. Januar 2026 um mindestens 0,3 Prozentpunkte höhere Pflegeversicherungsbeiträge und Krankenversicherungsbeiträge. 0,3 Prozentpunkte, das mag sich einigermaßen harmlos anhören. Aber, meine Damen und Herren, 0,1 Prozentpunkt vom Sozialversicherungsbeitrag ist eine Belastung in Höhe von zwei Milliarden Euro für Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Betriebe. 0,3 Prozentpunkte wären um glatt sechs Milliarden Euro höhere Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Betriebe gewesen. Das wenden wir ab, indem wir insbesondere in der Krankenversicherung erste harte Sparmaßnahmen umsetzen - das ist mit der Koalition besprochen und auf den Weg gebracht -, wissend, dass wir dazu im nächsten Jahr noch sehr viel grundsätzlicher sehr viel mehr tun müssen.
Ich hoffe, dass es uns gelingt, dazu noch in diesem Jahr an zwei Stellen die Weichen richtig zu stellen. Das betrifft die Rentenversicherung. In der Rentenversicherung werden wir die sogenannte Aktivrente in Kraft setzen. Die Aktivrente ist nichts anderes als ein zusätzlicher Freibetrag von 24.000 Euro im Jahr für jeden Arbeitnehmer jenseits der Regelaltersgrenze, der bereit ist, weiterzuarbeiten. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Sie in Ihren Unternehmen haben und die die Regelaltersgrenze erreicht haben - sie ist unterschiedlich, liegt aber irgendwo zwischen 64 Jahren und 67 Jahren -, können weiterarbeiten und erhalten dafür einen Anreiz von 2.000 Euro im Monat, 24.000 Euro im Jahr zusätzlichen steuerfreien Einkommens.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen auch, warum wir das tun. Wir wollen Beschäftigte, die länger arbeiten können und wollen, natürlich länger halten. Aber es steht auch noch etwas anderes im Raum, und ich will es hier sehr deutlich ansprechen. Wenn wir unsere Alterssicherungssysteme auf solide, zukunftsfähige Füße stellen wollen, dann müssen wir grundlegende Dinge ändern. So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Aber wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir uns über die Stellschrauben unterhalten, die wir haben. Eine der Stellschrauben ist: Bei immer höherer Lebenserwartung - und die Lebenserwartung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen - müssen wir auch Methoden finden, wie wir die Menschen ermutigen, länger zu arbeiten als in der Vergangenheit.
Eine dieser Methoden ist, auf der Basis der Freiwilligkeit zu sagen: Wir wollen euch länger im Arbeitsmarkt haben, und wir geben euch mit diesem Steuerfreibetrag einen guten Anreiz, dies zu tun. Meine persönliche Überzeugung ist: Davon werden in Deutschland vermutlich viele Menschen Gebrauch machen, gerade auch in Ihren Unternehmen - Menschen, die noch jung genug sind, die noch arbeiten wollen, die Freude daran haben, zu arbeiten. Diess Angebot gilt übrigens nicht für Beamte, es gilt nicht für Abgeordnete und es gilt auch nicht für Mitglieder der Bundesregierung - nur damit Sie das wissen. Mich betrifft es also nicht, ich spreche hier nicht pro domo; es betrifft vielmehr die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen ein Anreiz gegeben wird, länger im Arbeitsmarkt zu bleiben.
Ich bin gespannt, wie das geht und ob es auf der Basis der Freiwilligkeit geht. Wenn es nicht auf der Basis der Freiwilligkeit geht, dann werden wir uns über andere Maßnahmen unterhalten müssen. Wir müssen jedenfalls die Relation zwischen aktiver Beschäftigungszeit und Ruhestand zugunsten der längeren aktiven Beschäftigungszeit verändern. Da gibt es verschiedenste Instrumente, aber dieses Thema werden wir besprechen und auch entscheiden müssen.
Meine Damen und Herren, wir werden auch im Bereich der sozialen Transfersysteme Korrekturen vornehmen. Ich nenne hier zwei Beispiele.
Erstens. Wir werden die Grundsicherung einführen und das sogenannte Bürgergeld abschaffen. Das ist nach vielen langen intensiven Diskussionen in der Koalition jetzt vereinbart. Die Texte sind weitgehend geschrieben. Wir werden jetzt in die Ressortabstimmung gehen und noch in diesem Jahr die erste Lesung zur neuen Grundsicherung, die das alte System des Bürgergeldes ablöst, im Deutschen Bundestag haben. Auch hier geschieht das mit den richtigen Anreizen, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren oder im Arbeitsmarkt zu bleiben. Jedenfalls wird nicht weiter die Botschaft gegeben: Wer nicht arbeitet und soziale Transferleistungen bekommt, hat mehr als diejenigen, die arbeiten und dafür Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlen. Das werden wir ändern, und das ist in der Koalition auch so beschlossen.
In diesem Zusammenhang ein zweites Thema - das wird Sie möglicherweise nur am Rande interessieren, aber für uns ist es wichtig -: Wir werden auch den sogenannten Rechtskreiswechsel für die Flüchtlinge aus der Ukraine beschließen. Das heißt, die ukrainischen Flüchtlinge werden in Zukunft nicht mehr im Sozialgesetzbuch II sein, also in dem, was sich heute noch Bürgergeld nennt, sondern sie werden in das Asylbewerberleistungsgesetz kommen - ein Leistungsgesetz, das deutlich niedrigere Transferleistungen vorsieht und damit auch höhere Anreize gibt, im Arbeitsmarkt unterzukommen, in den Arbeitsmarkt zu gehen. Ich will, damit das Bild vollständig ist, auch hinzufügen: Ich habe heute in einem längeren Telefonat den ukrainischen Präsidenten gebeten, dafür zu sorgen, dass insbesondere die jungen Männer aus der Ukraine nicht wieder in großer Zahl, in größer werdender Zahl nach Deutschland kommen, sondern dass sie den Dienst in ihrem Land versehen. Da werden sie gebraucht, und in Deutschland werden die Transferleistungen für diese Flüchtlinge so ausfallen, dass die Arbeitsanreize größer sind als der Anreiz, im Transfersystem zu bleiben. Wir sehen also auch hier konkrete Änderungen vor.
Meine Damen und Herren, Sie haben das Motto Ihres Handelskongresses in diesem Jahr genannt: "Simplify Retail: Einfach. Erfolgreich. Handeln!". Das Motto der Bundesregierung ist, wenn Sie so wollen: "Simplify your business". Wir wollen es leichter machen für Sie, wir wollen es einfacher machen, wir wollen Sie nicht bei der Arbeit stören, sondern wir wollen Ihr Engagementermöglichen und wollen ermöglichen, dass Sie in Ihren Unternehmen erfolgreich arbeiten können. Deshalb machen wir Digitalisierung und Staatsmodernisierung.
Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Wir können das nicht allein - wir können das in Deutschland nicht allein. Wir brauchen hier auch eine entsprechende politische Begleitung durch Entscheidungen in der Europäischen Union. In der Europäischen Union - meine Damen und Herren, ich spreche hier wirklich als ein zutiefst überzeugter Europäer - kann es so, wie es in den vergangenen Jahren war, nicht mehr weitergehen. Diese massive Überbürokratisierung fast aller Lebensbereiche muss jetzt wirklich umgekehrt werden. Wir brauchen Wettbewerbsfähigkeit auch in der europäischen Politik als die wichtigste Leitschnur und Orientierung unserer Arbeit, die wir dort leisten.
Mir wird hin und wieder zum Vorwurf gemacht, ich sei sozusagen der Außenkanzler und zu wenig im Inland präsent. Dieser Vorwurf ist in den letzten Tagen und Wochen aus guten Gründen nicht wiederholt worden, aber er war auch vorher schon falsch. Wenn ich mich in dieser Europäischen Union so engagiere, wie ich es von meinem ersten Tag im Amt antue, dann dient das auch und vor allem dem Zweck, diese Europäische Union als eine Gemeinschaft freier Völker friedensfähig und freiheitsfähig zu erhalten, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass auch die Gesetzgebung in der Europäischen Union wieder mit einer starken Stimme aus Deutschland heraus begleitet wird. Ich möchte "German Vote" - also eine Enthaltung in Brüssel, weil wir uns in Berlin in der Koalition nicht einig sind - nicht mehr sehen. Wer sich enthält, gibt Mitwirkungsmöglichkeiten auf und überlässt es anderen, Entscheidungen zu treffen.
Das betrifft auch so schwierige Themen wie die sogenannte Entwaldungsverordnung. Wir brauchen in Deutschland keine europäische Regulierung zum Schutz unserer Wälder. Das machen wir selbst, und da brauchen wir keine europäische Regulierung. Selbst wenn die Europäische Union möglicherweise mit Blick auf andere Länder Europas auf den Gedanken kommt, dies zu regulieren, dann wollen wir entweder eine Null-Risiko-Klasse für Deutschland haben oder aber es so weit entbürokratisiert haben, dass unsere Unternehmen mit überflüssiger Bürokratie zu diesem Thema nicht belastet werden. Genau dafür setzen wir uns auf europäischer Ebene und in der Koalition ein. Wir haben dazu auch eine gemeinsame Haltung der Bundesregierung, und wenn die Kommission sich nicht imstande sieht, das Inkrafttreten dieser Verordnung noch einmal für ein Jahr zu verschieben - und dazu sieht sie sich offensichtlich nicht imstande -, dann müssen wir so viel Einfluss wie möglich auf das, was da zum 1. Januar 2026 in Kraft tritt, nehmen. Ich sage Ihnen zu: Wir schöpfen unsere Möglichkeiten aus, auch mit anderen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, um diese Verordnung so bürokratiearm wie eben möglich auszugestalten, damit hier nicht neue bürokratische Lasten aus der Europäischen Union auf unsere Betriebe, auf Ihre Betriebe zukommen.
Damit bin ich bei einem wichtigen Thema ganz genereller und allgemeiner Betrachtung. Meine Damen und Herren, was machen wir eigentlich in der Handelspolitik in Europa? Auch das hat wiederum zwei Aspekte.
Der erste Aspekt ist ein außenpolitischer Aspekt: Wo sind unsere Partner auf der Welt? Ich setze mich massiv dafür ein, dass wir noch zum Ende des Jahres das -Abkommen mit den südamerikanischen Staaten abschließen können. Das ist ein wichtiges Abkommen, das uns ähnlich wie das Freihandelsabkommen mit Kanada große Vorteile im gegenseitigen Handel zwischen Südamerika - vier Staaten sind es - und der Europäischen Union bieten wird. Ich setze mich dafür ein, dass wir auch mit anderen Staaten - mit Mexiko, mit Indonesien, mit Japan - Abkommen abschließen und sie auch in Kraft treten.
Aber genauso, wie ich das tue, bin ich sehr darum bemüht, in der Europäischen Union zu vermeiden, dass es hierbei unfaire Handelspraktiken gibt. Ich spreche in diesem Zusammenhang das an - wir haben gerade eben schon beim Hereingehen darüber gesprochen -, was wir derzeit an systematischem Missbrauch der Zollfreigrenze von 150 Euro pro Päckchen in Deutschland durch massenhafte Sendungen insbesondere aus China beobachten. Meine Damen und Herren, um die Dimensionen klarzumachen, um die es hierbei geht: Es sind nicht hundert oder tausend oder ein paar mehr, sondern es sind insgesamt über vier Milliarden Päckchen pro Jahr, die in die Europäische Union kommen, und zwar überwiegend aus China. Und ich habe in der letzten Sitzung des Europäischen Rats die Kommission aufgefordert, uns einen Vorschlag zu machen, wie wir diese Freigrenze von 150 Euro herabsetzen - am besten auf null, weil es nicht anders geht -, und dass wir das Ganze auch mit einer sogenannten "handling fee" verbinden, sodass dieser massenhafte Missbrauch der Zollfreigrenze, die eigentlich für den privaten Warenverkehr gedacht war, stoppt; denn damit wird nicht nur Ihre Wettbewerbsposition geschwächt, sondern damit werden Verbraucherschutzregeln unterlaufen, damit werden Produktsicherheitsrichtlinien unterlaufen, damit wird massenhafter Missbrauch betrieben. Das muss beendet werden. Sie können sich darauf verlassen, dass ich alles tue, um das so schnell wie möglich auch für ganz Europa zu erreichen.
Sie sehen also, wir stehen mitten in der Arbeit an der Modernisierung unserer Volkswirtschaft. Ich will es noch einmal sehr deutlich sagen: Hier geht es nicht um kleinere Korrekturen, sondern hier geht es schon um sehr grundsätzliche Neuausrichtungen unserer Wirtschaftspolitik, unserer Sozialpolitik, unserer Wettbewerbspolitik und vieler anderer Fragen - eingebettet immer auch in die Europäische Union und in das, was wir gemeinsam in Europa machen.
Lassen Sie mich zum Abschluss das Bild noch einmal etwas größer ziehen. Wir sprechen ja hier nicht nur über unsere Volkswirtschaft, wir sprechen hier nicht nur über den Wettbewerb Ihrer Unternehmen. Wir sprechen hier in Wahrheit über die Zukunftsfähigkeit offener, liberaler, freiheitlicher Gesellschaften. Und wir stehen nicht nur von außen unter Druck. Wir stehen auch massiv unter Druck von innen. Wir haben in Deutschland und in vielen Ländern Europas eine Diskussion, die unsere Demokratie ernsthaft gefährdet. Dagegen müssen wir alle zusammen, wenn sie denn guten Willens sind, etwas tun.
Das Wichtigste ist: wir müssen zeigen, dass unsere marktwirtschaftliche Ordnung noch funktioniert. Wir müssen zeigen, dass unsere Infrastruktur Schritt hält mit dem Bedarf, den wir heute sehen und den Sie auch in Ihren Städten hautnah vor Ihrer Haustür jeden Tag sehen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Debattenkultur in unserem Land nicht völlig entgleist. Ja, diese Bundesregierung verdient Kritik, keine Frage, und ich bin derjenige, der sie hinter verschlossenen Türen mit am deutlichsten und klarsten äußert. Aber wir wollen bitte auch im Umgang miteinander gemeinsam Maß und Mitte halten.
Meine Damen und Herren, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt. Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben. Die waren alle froh, dass wir vor allem Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.
Wir leben in einem der freiheitlichsten Länder der Welt, und es lohnt sich, unser Land, unsere Demokratie, unsere Wirtschaftsordnung auch zu verteidigen. Ich habe Ihnen das im vergangenen Jahr von dieser Stelle aus gesagt, als ich noch nicht im Amt war, und ich will es auch heute, in diesem Jahr sagen, während ich im Amt bin: Was mich antreibt und was mich bewegt, ist, dass wir die Chancen, die wir gehabt haben - - - Wir haben vorgestern nicht nur meinen Geburtstag, sondern gestern auch 70 Jahre Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland gefeiert. Wir sind ein offenes, freiheitliches Land. Wir leben jetzt seit acht Jahrzehnten - ja, seit über acht Jahrzehnten schon - in Frieden und in Freiheit. Wir leben seit über 35 Jahren im wiedervereinigten Deutschland. Meine Damen und Herren, das ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen: dieses Land zu verteidigen, unsere Demokratie zu verteidigen, unsere offene Gesellschaft gegen ihre Feinde von innen und von außen zu verteidigen und auch unsere marktwirtschaftliche Ordnung zu verteidigen. Lassen Sie uns das gemeinsam machen.
Glauben Sie mir, dass ich es ernst meine, wenn ich sage, alles dafür zu tun, dass nachfolgende Generationen, unsere Kinder und unsere Enkelkinder, die gleichen Chancen haben, in einem offenen, freiheitlichen, demokratischen Land zu leben, das ein hohes Maß an Wohlstand erreicht hat, das ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit gewährleisten kann, in einem Land, das wirtschaftlich leistungsfähig ist. Das ist das, was mich antreibt. Wenn wir alle diesen Weg gemeinsam gehen - jenseits aller parteipolitischen Präferenzen, die Sie haben und die ich natürlich auch habe -, wenn wir das gemeinsam tun, dann ist in einer solchen schwierigen Zeit auch immer eine große Chance, es gut zu machen, es besser zu machen als in der Vergangenheit und diese Kraftanstrengung für unser Land gemeinsam zu leisten. Dazu möchte ich Sie herzlich einladen und darum möchte ich Sie herzlich bitten.
Herzlichen Dank!