PTB - Physikalisch-Technische Bundesanstalt

12/15/2025 | Press release | Distributed by Public on 12/15/2025 12:21

Die Quanten-Helden

Von der Grundlagenforschung in der PTB zum Quantencomputer für Wissenschaft und Industrie

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15.12.2025

Wer im weltweiten Rennen um den besten Quantencomputer mitmischen will, muss richtig gut sein. So wie Christian Ospelkaus, der eine spezielle Mikrowellentechnik erfunden hat, die für die weltweit verlässlichsten Qubits sorgt. Und die Firma Qudora Technologies GmbH, eine Ausgründung aus der PTB, die jetzt einen Quantencomputer mit dieser Technologie auf den Markt bringt.

von links nach rechts: Dr. Jan Kiethe, Dr. Johannes Kramer, Dr. Henning Hahn, Prof. Christian Ospelkaus (Foto: PTB)(zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Prof. Christian Ospelkaus (links) und Dr. Celeste Torkzaban (rechts) vor ihrem Quantencomputer-Aufbau in einem Labor der Leibniz Universität Hannovers (Foto: PTB)

Der Raum ist in ein sphärisches Licht getaucht. Es geht von dem schicken, rund zwei Meter hohen Quader in seinem Zentrum aus. Ganz klar, hier steht ein Stück Zukunftstechnologie. So fern ist diese Zukunft nicht: Bereits Anfang 2026 soll dieser Quantencomputer in Betrieb gehen. Noch im Laufe desselben Jahres soll er an eine Cloud angeschlossen werden. Dann können alle, die Lust haben, mit ihm rechnen. Und das werden beileibe nicht nur Computer-Nerds sein.

Die Liste der Anwendungen von Quantencomputern ist lang: Beispielsweise könnten sie helfen, das Wetter noch besser vorherzusagen oder in der Logistik Lieferketten zu optimieren oder in der Pharmaforschung die Reaktionen von Molekülen besser vorherzusagen - und vieles mehr. "Ein erster Quantencomputer von uns und unserem Partner NXP Semiconductors hat gerade beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg seine ersten Ionen gefangen. Der optimierte Quantencomputer soll dann im Rahmen der DLR- Quantencomputing-Initiative mehreren Partnerfirmen aus der Industrie für die Entwicklung von Anwendungen zum Beispiel in der Materialforschung, Logistik oder künstlicher Intelligenz zur Verfügung stehen", sagt Henning Hahn.

Die Mikrowellentechnik ist super
Henning Hahn ist Physiker und einer der Gründer der Braunschweiger Firma Qudora, die vor vier Jahren als kleines Startup angefangen hat und jetzt schon rund 40 Mitarbeitende zählt. Über den ersten Einsatz seines 50-Qubit-Quantencomputers ist er sehr stolz. Er ist einer der ersten in Deutschland gebauten Quantencomputer überhaupt und kann sich auch international sehen lassen. "Unsere NFQC-Technologie wird neue Rekorde aufstellen, was die Qualität der Quantenoperationen auf den Qubits angeht, und zwar über alle Qubit-Technologien hinweg", sagt er. Die Abkürzung erinnert nicht ohne Grund an NFC, mit dem man beispielsweise per Handy bezahlen kann. Auch hier ist ein Mikrowellen-Nahfeld im Spiel. "Nur dient es hier dazu, die Qubits zu programmieren", erklärt Christian Ospelkaus, der neben Hahn steht. Auch er ist Physiker, forscht an der PTB und bei der Leibniz Uni Hannover, wo er auch als Professor lehrt. Ospelkaus hat vor 17 Jahren die NFQC-Technologie erfunden. Er war der Doktorvater (bzw. Post-Doc-Betreuer) von Henning Hahn und zweien seiner Kollegen, die zusammen Qudora gegründet haben. Die Firma ist eine erfolgreiche Ausgründung aus der PTB, der TU Braunschweig und der Leibniz Uni Hannover und gehört zum Quantum Valley Lower Saxony (QVLS). Und dieser 50-Qubit-Computer hier, der mit der Ionenfallen-Technologie und mikrofabrizierter Prozessoren arbeitet, ist ebenfalls eine Erfolgsgeschichte.

Entscheidend ist die Güte der Qubits
50 Qubits, das klingt zunächst nicht spektakulär angesichts der ca. 1000 Qubits, die Google und IBM mit ihren Festkörper-Quantencomputern schon erreicht haben. "Achtung, Missverständnis: Zurzeit wird fast nur von sogenannten physikalischen Qubits geredet. Entscheidend sind aber die logischen Qubits, auf denen am Ende die Anwendungen laufen. Logische Qubits setzen sich aus mehreren physikalischen Qubits mittels Fehlerkorrektur zusammen.", sagt Henning Hahn. "Wie viele physikalische Qubits ich benötige, um ein logisches Qubit zu realisieren, wird maßgeblich durch die Qualität der Rechenoperationen vorgegeben. Während Google und Co. mehrere hundert physikalische Qubits benötigen, um ein logisches Qubit mit einer definierten Qualität zu erzeugen, werden wir mit unserer NFQC-Technologie bereits mehrere logische Qubits aus nur 50 physikalischen Qubits realisieren können." Bis Quantencomputer wirklich breit eingesetzt werden können, müssen sie allerdings noch ein paar mehr Qubits erreichen. Daran arbeiten sie bei Qudora. Schon im Jahr 2027 soll ihr Quantencomputer 200 physikalischen Qubits schaffen. "Dabei hilft es uns ganz entscheidend, dass unser Quantenprozessor mithilfe eines Mikrofabrikationsverfahrens hergestellt wird, denn diese Technik lässt sich gut hochskalieren", erklärt Henning Hahn.

Hochskalieren heißt: mit mehr Qubits rechnen. Daran arbeitet auch Christian Ospelkaus mit seinem Team in der PTB Braunschweig und der Leibniz Uni Hannover, ebenfalls im Rahmen des Quantum Valley Lower Saxony (QVLS). Nach dem Termin bei Qudora fahren wir zu seinem Labor in Hannover. Der erste Eindruck im Labor kommt unerwartet: ein lautes Zwitschern, wie in einem Dschungel. "Das ist die Kühlung für das nötige Vakuum", erklärt Christian Ospelkaus. Der Vakuumkühltopf ihres Quantencomputer-Aufbaus beherrscht das Zentrum des Raumes: Es ist ein Edelstahl-Zylinder von vielleicht 50 cm mal 30 cm Größe. Optisch ist er ganz ähnlich wie der Qudora-Quantencomputer - nur ohne die schicke Außenhülle. Dieser Computer soll ja nicht verkauft werden, sondern für weitere Forschung dienen.

Helden-Experimente
Was die Arbeit hier von der bei Qudora unterscheidet? "Hier können wir es uns leisten, Dinge zu probieren, die zwar für die Forschung sehr wichtig sind, aber auch schiefgehen können", sagt Ospelkaus. "Das ist ja der Sinn von öffentlich geförderter Forschung: Hier dürfen wir uns heldenhaft ins Ungewisse stürzen."

Und dann erläutern er und Celeste Torkzaban, Physikerin in seinem Team, ein paar der vielen Forschungsdetails, an denen sie hier arbeiten. "Um unseren Quantencomputer weiter hochzuskalieren, müssen wir Chips mit mehr integrierten optischen und elektronischen Funktionen entwickeln und herstellen, um mehrere Prozessorkerne unterbringen zu können", erläutert Ospelkaus. Zu den Neuerungen gehören die speziellen Wellenleiter, die sie zusammen mit einem anderen PTB-Team entwickeln und die jeweils unter einem elektrischen Fallenchip installiert werden sollen. "So können wir bald auf komplizierte und fehleranfällige externe optische Aufbauten verzichten. Stattdessen wird das Laserlicht per Glasfaser und diese Wellenleiter zu den Qubit-Ionen geführt werden", erklärt Celeste Torkzaban.

Sie zeigt mir einen Computerbildschirm und darauf einen hellen Fleck. "Das ist ein gefangenes Ion", erklärt sie. Damit es als Qubit dienen kann, sind ziemlich viele komplizierte Schritte nötig (siehe Infokasten "Wie wird ein Ion zu einem nützlichen Qubit?").

Qubit-Steuerung ohne Laser
Das Laserlicht, das sie hier auf neue Art in die Chips leiten wollen, dient gleich mehreren Zwecken: Am Anfang soll es die Bewegung der Ionen bremsen (Laserkühlung). Am Ende dient es dazu, den Quantenzustand der Ionen zu detektieren. Der Schritt dazwischen, der Programmierung der Qubits, passiert anderswo ebenfalls mit Lasern. Hier jedoch nutzen sie die Mikrowellen-Nahfeld-Technik, die Ospelkaus entwickelt hat und die auch Quodora einsetzt. "Bei unserem elektronischen Chip ist diese Technik optimal, um alles möglichst klein und dennoch sehr zuverlässig zu gestalten", erläutert Christian Ospelkaus. Perfekte Voraussetzungen für einen Quantencomputer mit noch deutlich mehr und vor allem hochwertigen Qubits.

Vieles, was sie hier machen, ist ganz neu. Höchstens einige Teilschritte wurden bereits an anderer Stelle auf der Welt erfolgreich angewendet, jedoch noch nicht in vollständig integrierten Chips. Ob bei Qudora oder hier in Hannover: Sie sind zwar ganz normale Menschen in Jeans und T-Shirt oder Hemd - aber doch auch Helden an vorderster Quantencomputerfront.
es/ptb

Infokasten: Wie wird ein Ion zu einem nützlichen Qubit?
Um Ionen als Qubit zu verwenden, muss man es erst einmal einfangen und über Laserkühlung langsam machen. Weil die Kühlung den Quantenzustand des Ions stört, behilft man sich mit einem Trick: Man koppelt an das eigentliche Qubit-Ion ein zweites Ion. Jetzt kann man das sogenannte Kühl-Ion kühlen und kühlt das Qubit-Ion gleich mit, aber ohne dass sein Qubit-Zustand beeinflusst wird. Im Team um Christian Ospelkaus an der Leibniz Uni nutzen sie zwei verschiedene Pärchen von Ionen: Strontium als Kühl- und Calcium als Qubit-Ion sowie Calcium als Kühl- und Beryllium als Qubit-Ion. Beide, Kühl- und Qubit-Inen, werden mit einer Kombination aus Gleich- und Hochfrequenzspannungen über dem Chip eingefangen.

Ansprechpartner
Prof. Dr. Christian Ospelkaus, Leiter der QUEST-Forschungsgruppe 3 "Quantum Engineering mit gespeicherten Ionen", Telefon: (0531) 592-4740, christian.ospelkaus(at)ptb.de

Homepage der Firma Qudora Technologies GmbH: https://qudora.com/

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Autorin / Autor: Erika Schow

PTB - Physikalisch-Technische Bundesanstalt published this content on December 15, 2025, and is solely responsible for the information contained herein. Distributed via Public Technologies (PUBT), unedited and unaltered, on December 15, 2025 at 18:21 UTC. If you believe the information included in the content is inaccurate or outdated and requires editing or removal, please contact us at [email protected]