07/23/2025 | News release | Distributed by Public on 07/23/2025 09:09
Bei seiner Rede zur Einbringung des Doppelhaushalts 2026/2027 kündigte OB Dr. Frank Mentrup an, dass es - wie in der Vergangenheit - darum gehe, "Karlsruhe in die zu Zukunft führen", wenngleich unter nochmals verschärften Rahmenbedingungen, "sodass diese Zukunft mitunter ziemlich düster aussieht." Sie müssten "mit den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern, den Institutionen eine Perspektive entwickeln." Im früheren Jahrzehnt sei es richtig gewesen, "jeden zusätzlichen Euro umgehend in die Entwicklung der Stadt investiert zu haben", zitierte er aus seinen vergangenen Haushaltsreden, für zusätzliche Dienstleistungen "zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger und der Gäste unserer Stadt". Gleichzeitig sei es künftig richtig, all das zu hinterfragen, sich auf "das noch Mögliche oberhalb des absolut Nötigen zu beschränken" und Aufgaben zu verteilen, um nicht dauerhaft die Handlungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken. Die Stadt müsse sich "mehr denn je fokussieren".
Im Kern gehe es um Priorisierung: Was für die Stadt künftig noch leistbar sei, worauf man verzichten könne und müsse - und die Frage danach, was nötig sei, um "das Wesentliche, das, was uns wichtig ist, zu sichern". Als Präsident des Städtetags Baden-Württemberg sehe er täglich, wie dramatisch sich die Finanzlage der Städte und Gemeinden zuspitze, resümierte der Oberbürgermeister. Das Grundproblem sei die Unwucht, "dass die kommunale Ebene 25 Prozent der staatlichen Aufgaben erbringt, aber nur 14 Prozent der Einnahmen zugewiesen bekommt". Zudem übertrügen Bund und Länder den Kommunen immer neue Pflichtaufgaben in der Bildung, bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten sowie bei Klimaschutz oder Digitalisierung, ohne die notwendige finanzielle Ausstattung. Mentrup wies zudem auf "fatale Systemfehler" etwa in der Finanzierung der Krankenhäuser und des ÖPNV hin. Das im Grundgesetz geregelte sogenannte Konnexitätsprinzip solle sicherstellen, dass vom Bund beauftragte Aufgaben auch vom Bund finanziert werden, es werde allerdings "ausgetrickst" und finde oftmals keine Anwendung. In der Folge fahre die kommunale Handlungsfähigkeit mit Volldampf an die Wand, befand Mentrup. Fast 90 Prozent der Mitgliedsstädte im Städtetag könnten keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen.
Der Städtetag fordert eine strukturelle Neuordnung der Finanzbeziehungen, unter anderem eine stärkere Beteiligung an der Umsatzsteuer, "und vor allem ein klares Bekenntnis: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Es reiche nicht, Aufgaben weiterzureichen und sich dann aus der Verantwortung zu ziehen. Von Lippenbekenntnissen zur Bedeutung der Kommunen allein können wir unsere kommunalen Haushalte nicht ausgleichen."
Das kommunale Gesamtdefizit betrug bundesweit 2024 rund 25 Milliarden Euro. Das klinge nach viel, sei aber immer noch weniger als etwa die klimaschädlichen Subventionen allein im Verkehrsbereich beispielsweise mit dem Dienstwagenprivileg. Er wolle damit nichts gegeneinander aufrechnen, sondern nur verdeutlichen, "dass das, was den Kommunen bundesweit den Hals bricht, durchaus im Bundeshaushalt darstellbar wäre." Die Kommunen bräuchten kurzfristige Hilfen, vor allem aber eine strukturelle Neuausrichtung der Finanzen. Das Konnexitätsprinzips müsse strikt eingehalten werden, auch Bürokratieabbau sei nötig. Die Landesregierung habe kürzlich Abschläge aus dem Finanzausgleich in Höhe von rund 3 Milliarden Euro um drei Monate vorgezogen. Das sei zwar ein wichtiges Zeichen, aber nur eine "erste Hilfe" zur Überbrückung des Haushaltsjahres. Längerfristig sei eine Reform der kommunalen Finanzausstattung nötig. "Andernfalls droht uns ein Flickenteppich aus notdürftig sanierten Haushalten, wachsenden Kassenkrediten und gekürzten Daseinsvorsorgeleistungen." Noch gravierender sei der drohende Vertrauensverlust bei der Bürgerschaft, wenn beispielsweise ein Schwimmbad schließe, das kleine Laientheater oder der Sportverein nicht mehr gefördert werde, oder sich die Wartezeiten für den neuen Pass verdoppelten. Wer die Kommunen in ihrer Unterfinanzierung allein lasse, lege die Axt an Funktionsfähigkeit und Akzeptanz der Demokratie insgesamt. Aus den Karlsruher Partnerstädten Nancy und dem mittlerweile insolventen Nottingham kämen dahingehend Rückmeldungen, die aufhorchen ließen.
Im prognostizierten Jahresergebnis von minus 50 Millionen Euro für 2026 und 2027 ergebe sich durch die angestrebten Einsparungen von 80 Millionen Euro und Kreditaufnahmen in Höhe von 200 Millionen Euro die "gespenstische Zahl" von 330 Millionen Euro Unterdeckung, "die in ihrer Brutalität auch die strukturelle Ausweglosigkeit der aktuellen kommunalen Finanzierung aufzeigt." Es sei die Aufgabe der Stadt in den kommenden Monaten, die nötigen Mittel einzusparen, um einen genehmigungsfähigen Haushaltsentwurf zu erstellen. Dadurch seien harte Einschnitte in der Förderung vieler Initiativen und die Reduzierung des städtischen Leistungsspektrums nötig. Der Gemeinderat müsse streichen statt ausbauen. Es gehe darum, das Miteinander in der Stadt auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen zu gestalten.
Um die Richtung zu erarbeiten, sei der sogenannte ISEK-Prozess, der die Entwicklung der Stadt bis 2040 aufzeigen soll, eine Basis, um begrenzte Mittel bestmöglich einzusetzen. Die Stadtgesellschaft sei eingeladen, sich einzubringen, mit Wünschen, Abwägungen und Ideen. Alle Stadträte im Bürgersaal und alle Menschen in der Stadtgesellschaft wollten weiterhin ein vielfältiges, lebendiges und soziales Karlsruhe, gab sich Mentrup überzeugt.
Er appellierte an die Verantwortung der Stadträtinnen und Stadträte: "Das schaffen wir, wenn wir jetzt Prioritäten setzen, wenn wir nicht denjenigen folgen, die am lautesten rufen und am stärksten Lobbyarbeit betreiben können." Stattdessen müssten sie sich auf diejenigen fokussieren, "die unbedingt unsere Unterstützung brauchen, durch finanzielle Erleichterungen, unterstützende Infrastruktur, Bildung und Betreuung." Dazu müssten sie "die Menschen noch stärker als bisher mit ins Boot holen." Dazu müsse jeder Mensch, dessen Geldbeutel es ermögliche, mehr als bisher beitragen, um zu bewahren oder weiterzuentwickeln, was ihm wichtig sei.
Viele brächten sich bereits ein. "Karlsruhe wäre schon heute ärmer ohne die vielen Engagierten in den unzähligen Vereinen und Organisationen von Sport, über Kultur, Kirchen und Soziales." Andere warteten darauf, "zum Mitmachen motiviert zu werden".
Aus Karlsruhe gehe erfolgreiches internationales Unternehmertum hervor, gerade auch in der IT-Branche. Hier wolle er stärker für eine Mitverantwortung werben, dem Ort und seinen Menschen zu danken, der zum Aufwachsen, zum Studienabschluss oder zur Umsetzung von Innovation Impulse und ein gutes Lebensumfeld geschaffen habe. Mäzenatentum könnte vieles ermöglichen, was eine finanziell eingeschränkte Stadt nicht mehr leisten könne. Er verwies auf das Projekt "Bleibendes schaffen" sowie die kürzlich errichtete Karlsruhe Stiftung, über die Zuwendungen möglich sind.
Der öffentliche Personennahverkehr sei zentral für Karlsruhe und die Bürgerschaft, daher habe die Stadt in den Ausbau investiert. Der Wirtschaftsplan der VBK für 2025 weise ein negatives Ergebnis von 121 Millionen Euro aus. Kostentreiber seien unter anderem gestiegene Personal- und Energiepreise sowie Betriebs- und Instandhaltungskosten der neuen Infrastruktur samt Stadtbahntunnel. Die Personalkosten machten 41 Prozent des Gesamtaufwands aus. Die Einführung des Deutschlandtickets habe zwar zu einer Stabilisierung der Nachfrage geführt, aber keine strukturelle Erlössteigerung bewirkt. Ziel sei es, das Angebot mittelfristig an die finanziellen Möglichkeiten anzupassen, ohne betriebsbedingte Kündigungen. Dazu sollen etwa Linienverläufe und Taktungen überprüft sowie Angebotsspitzen angepasst werden. Auch könnte sich das Land künftig stärker einbringen, gab Mentrup zu bedenken.
Wie rund 78 Prozent aller Kliniken erwirtschafte auch das Städtische Klinikum Karlsruhe Verluste. Die Ursachen lägen außerhalb des städtischen Einflusses. Die angekündigte Krankenhausfinanzierungsreform bringe etwas Orientierung, lasse jedoch zentrale Finanzierungsfragen ungelöst. Für 2025 wird im besten Fall mit einem Jahresfehlbetrag von rund 24,7 Millionen Euro gerechnet. Als "Maximalversorger" entstünden dem Klinikum hohe Fixkosten etwa durch Notfallversorgung. Die Kosten seien nicht refinanzierbar. Um gegenzusteuern, habe das Klinikum ein eigenes Spar- und Verbesserungsprogramm aufgelegt. Dennoch bestehe weiterhin "ein unverantwortliches Missverhältnis" zwischen Universitätskliniken, die komplett durch das Land finanziert würden, und kommunalen Maximalversorgern, die überregionale Aufgaben übernehmen, "aber keinen Cent Unterstützung" vom Land bekämen. Sollte die Reform der Krankenhausfinanzierung durch den Bund nicht ausreichend greifen, müsse sich das Land am Betrieb einer Klinik wie dem Städtischen Klinikum finanziell beteiligen.
Die Sparmaßnahmen träfen im Bereich Kultur in ihrer Dimension besonders das Badische Staatstheater und das ZKM, fasste der OB zusammen. Kultur sei kein Luxus, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie bringe Menschen zusammen und eröffne Zugänge zu Bildung und Kreativität. Beim Staatstheater stellten die Sanierung und die Finanzierung des Neubaus eine der größten Investitionen der kommenden Jahre dar. Auch das ZKM steht durch veränderte Förderstrukturen vor finanziellen Engpässen. Die angedachten Kürzungen auf städtischer Seite bedeuteten zudem einen Wegfall von gekoppelten Landesmitteln im gleichen Maß. Das Badische Staatstheater müsse dadurch den Spielbetrieb reduzieren und Personal einschränken. Beim ZKM entspreche das Kürzungsvolumen von rund 2 Millionen Euro etwa dem gesamten Ausstellungsbudget. Damit seien viele neue Ausstellungen kaum realisierbar. Beide Institutionen arbeiteten an Gegenmaßnahmen, darunter Projektförderung, Sponsoring und strukturelle Anpassungen. Unter anderem die 50-prozentige Mitträgerschaft des Badischen Staatstheaters durch die Kommune müsse zur Diskussion gestellt werden.
Kindertagesstätten und Ganztagsbetreuung zählten laut Mentrup zu den am stärksten wachsenden Kosten im städtischen Haushalt, auch verbunden mit dem gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr. Zwischen 2013 und hätten sich die Aufwendungen auf etwa 175 Millionen Euro mehr als verdoppelt - durch den Ausbau und durch Tarifsteigerungen bei den Personalkosten sowie durch Qualitäts- und Inklusionsanforderungen. Gute Kinderbetreuung, so Mentrup, sei Daseinsvorsorge, Standortfaktor und Investition in die Zukunft. Dazu bedürfe es einer Debatte über Standards, Finanzierung und Priorisierung zwischen Kommune, Land und Trägern. "Wer Kitas als unabdingbare Bildungseinrichtung betrachtet, dann aber eine stärkere Kostenübernahme ablehnt, wie das Land das tut", werde der Landesverfassung zu gleichen Bildungs- und Entwicklungschancen nicht gerecht. Auch die Zahl der Schulen hat sich in Karlsruhe zwischen 2013 und 2025 von 29 auf 39 erhöht, als Resultat des Rückbaus von Werkrealschulen. Die Personalkosten hätten sich mehr als verdreifacht. Zudem solle ab dem Schuljahr 2026/2027 der bundesweite Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung eingeführt werden. Dadurch würden die Nettoleistungen "nahezu explodieren, je nach Umsetzungsvariante bis zu 50 Millionen Euro." Noch sei unklar, in welcher Höhe sich Bund und Land beteiligten. Mit dem Gemeinderat müsse besprochen werden, ob nicht doch mehr Grundschulen zu Ganztagsschulen entwickelt werden sollten.
In der ersten Stufe der Haushaltssicherung war 2020 Haushaltsdisziplin etabliert worden, wonach jede neue freiwillige Leistung durch Gegenfinanzierung ermöglicht werden musste, was Einschnitte etwa im Förderbereich zur Folge hatte. In der zweiten Stufe waren unter anderem Grund- und Gewerbesteuer erhöht sowie Kürzungen im freiwilligen Leistungsbereich und strukturelle Einsparungen vorgenommen worden. Die dritte Stufe identifizierte 276 Maßnahmen für Einsparpotenziale. In den drei Stufen konnten rund 223 Millionen Euro eingespart werden.
Mentrup forderte für die aktuellen Einsparungen von der Stadtgesellschaft und im Gemeinderat "Streitkultur im besten Sinne", allerdings mit Blick auf Konsensfindung sowie mit Anstand und in gegenseitiger Wertschätzung. Aus der Erfahrung vieler Sparrunden wisse er, dass die Maßnahmen "manchmal fast nicht mehr zumutbar" seien. Aus dem Grund spreche er allen Beteiligten seinen Dank für ihr Engagement, Kreativität und ihren Arbeitseinsatz aus. Alle wollten "auch weiterhin ein Karlsruhe, das seinen Pflichten nachkommen kann und das seine Handlungsspielräume erhält." Insgesamt gehe es darum, "auch jetzt unserer Stadt und ihren Menschen einen Weg aufzuzeigen, der ihr Vertrauen in ihre und unsere Stadt als Heimat erhält." -nke-
Dieser Artikel erscheint in der StadtZeitung Nr. 30 am 25. Juli 2025. Die Inhalte der StadtZeitung schon lesen, bevor sie im Briefkasten steckt: Im ePaper sind alle Ausgaben digital verfügbar.