12/16/2025 | Press release | Distributed by Public on 12/16/2025 17:07
Eine Interpretation der aktuellen Ereignisse in Westafrika, insbesondere in der Sahelzone, lautet, dass wir derzeit die Vollendung des Dekolonialisierungsprojekts erleben, welches durch die Aktivitäten der Françafrique-Architekten unterbrochen und zum Scheitern gebracht worden war. Die Staatsstreiche, die zur Gründung der Allianz der Sahelstaaten (ASS) führten, wären demnach eine hegelianische »List der Vernunft«, um sich vom Kolonialismus zu befreien, der Afrika in einem Weltsystem gefangen hält, das den Bedürfnissen seiner Bevölkerung grundlegend zuwiderläuft. Diese Interpretation wird durch die Beobachtung gestützt, dass die Dekolonisation der 1960er Jahre, auch wenn Fanon diese im Wesentlichen als gewaltsamen Prozess verstand, relativ reibungslos verlief. Reibungslos in dem Sinne, dass die Privilegien einer transnationalen herrschenden Klasse erhalten blieben.
In seinem Vortrag zeigt Mouhamadou El Hady Ba, Philosoph und Kognitionswissenschaftler an der Université Cheikh Anta Diop in Dakar, dass die dekolonialen Ansprüche der Befürworter dieser Staatsstreiche trügerisch sind. Er stützt sich dabei auf drei Punkte: "Erstens spricht der Verlauf der historischen Ereignisse in diesen Ländern eher für eine Verlagerung der legitimen Wut der Bevölkerung als für eine echte antikoloniale Revolution. Zweitens werde ich mich aus einer philosophischen Perspektive mit dem Wesen von Macht und Autorität befassen und argumentieren, dass die aus diesen Staatsstreichen hervorgegangenen Regime insgesamt illegitimer sind als die durch sie abgelösten. Abschließend werde ich mich auf zwei revolutionäre vorkoloniale Momente beziehen: die Gründung des Mali-Reiches und die Fouta-Revolution unter der Führung von Thierno Souleyman Baal, um die Illegitimität der Juntas der ASS-Länder, selbst vor dem Hintergrund ihrer endogenen politischen Traditionen, zu untermauern."
Termin
Die Mosse Lectures an der Humboldt-Universität sind eine Veranstaltungsreihe der Mosse Foundation und erinnern an die Geschichte und das Erbe der deutsch-jüdischen Familie Mosse. Sie werden veranstaltet und unterstützt vom Institut für deutsche Literatur. Mit ihren in jedem Semester neu gewählten Schwerpunktthemen widmen sich die Mosse Lectures der Vermittlung von Wissen und Wissenschaft in den Bereichen Geschichte, Kulturgeschichte, Politik, Wirtschaft, Kunst und Literatur. Eingeladen werden prominente Wissenschaftler*innen, Autor*innen, Künstler*innen und Politiker*innen aus dem In- und Ausland.