German Federal Government

01/14/2025 | Press release | Archived content

Gemeinsam die Überwachung der Infrastruktur im Ostseeraum verbessern

Nach dem Treffen der NATO-Ostseeanrainerstaaten hat Bundeskanzler Scholz ein Pressestatement abgegeben.

Foto: Bundesregierung / Steffen Kugler

Die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der NATO-Ostseeanrainer haben sich in Helsinki mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte und der EU-Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen getroffen, um die Sicherheit des Ostseeraums zu verbessern. Nachdem mehrere Unterwasserkabel gekappt worden sind - dabei besteht zumindest der Verdacht vorsätzlichen Handelns - sollen Maßnahmen ergriffen werden, um die Unterwasser-Infrastruktur der Daten- und Stromkabel in der Ostsee zu sichern.

Auch die deutsche Marine soll sich dort an der Überwachung der Infrastruktur beteiligen, so Bundeskanzler Olaf Kanzler in einem anschließenden Statement.

Ziel des NATO-Treffens in Helsinki ist es, den Austausch von Informationen zwischen den Regierungen der Anrainerstaaten zu verbessern und so gemeinsam eine gute Überwachungsstruktur des Ostseeraums zu etablieren.

Lesen Sie hier das Wichtigste in Kürze:

  • Überwachung verbessern: Die NATO hat zur Erstellung von Lagebildern und zur Überwachung des Ostseeraums bereits eine eigene Einheit eingerichtet. Um deren Möglichkeiten zu verbessern, wurde die Aktivität "Baltic Sentry" beschlossen, daran wird sich auch die Bundeswehr mit Schiffen und Flugzeugen beteiligen. Darüber hinaus sollen die technologischen Möglichkeiten zur Überwachung des Ostseeraums gemeinsam mit der Rüstungsindustrie weiterentwickelt und ausgeweitet werden.
  • Rechtliche Maßnahmen ausloten: Eine Arbeitsgruppe der Außenministerien der Anrainerstaaten wird über rechtliche Maßnahmen beraten, die gegen Schiffe eingesetzt werden können, welche Schäden verursachen. Gegebenenfalls werden auch zusätzliche Maßnahmen im Rahmen der EU und der nationalen Gesetzgebung nötig.
  • Sanktionen gegen russische Schattenflotte: Sanktionen gegen die russische Schattenflotte werden ausgeweitet - Russland benutzt unter fremder Flagge fahrende Schiffe, um die Sanktionen wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine zu umgehen.

Lesen Sie hier das gesamte Pressestatement:

Bundeskanzler Olaf Scholz

Wir haben uns hier in Finnland getroffen, zum ersten Mal seit Finnlands Mitgliedschaft in der NATO. Ein NATO-Treffen in Finnland, ein besonderer Moment aus wichtigem Anlass. Wir haben in der letzten Zeit mehrere Vorfälle gesehen, bei denen es Zerstörung kritischer Infrastruktur innerhalb der Ostsee gegeben hat, etwas, das uns besorgt machen muss, weil immer wieder sehr offensichtlich ist, dass das Attacken sind, die nach allem, was man plausibel annehmen muss, nicht zufällig geschehen sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns verabreden, wie wir mit solchen Dingen umgehen. Diese kritischen Infrastrukturen, die Daten- und Informationsaustausch sowie die Strom- und Gaslieferungen möglich machen, sind von allergrößter Bedeutung für die Sicherheit unserer Länder. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass wir diese kritischen Infrastrukturen sichern können. Wir haben hier eine ganze Reihe von Verabredungen getroffen und vorgeschlagen, dass wir das in der Europäischen Union und in der NATO weiterdiskutieren.

Zunächst einmal können wir auf eine Initiative zurückgreifen, die ich zusammen mit dem norwegischen Ministerpräsidenten vor einiger Zeit ergriffen habe, dass nämlich die NATO eine eigene Einheit einrichtet, die sich mit der Frage der Lagebilderstellung und der Überwachung beschäftigt. Das ist mittlerweile geschehen und ein ganz, ganz wichtiger Schritt.

Zweitens müssen wir unsere Informationen über das, was wir wissen, austauschen. Das muss dadurch geschehen, dass Austausch zwischen den Regierungen stattfindet, aber auch dadurch, dass private Betreiber solcher Infrastruktur ganz konkret mit eingebunden werden. Wir werden das weiter vorantreiben, um sicherzustellen, dass wir eine möglichst gute Überwachungsstruktur haben.

Wir werden uns an der Baltic Sentrygenannten Aktivität der NATO beteiligen, in der wir mit all dem, was uns an maritimer Handlungsinfrastruktur zur Verfügung steht, zusammenarbeiten. Das wird sich jetzt zuallererst 90 Tage hinziehen. Dort werden wir eine gemeinsame Überwachung all der Infrastrukturen möglich machen und auch gemeinsam Kenntnisse entwickeln, wie wir das für die Zukunft weiter voranbringen können.

Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir im Rahmen der Kommandostrukturen, die in Rostock für die Ostsee im Rahmen der NATO etabliert worden sind, auch die Zusammenarbeit in dieser Frage und die Lagebilderstellung weiter vorantreiben wollen, sodass wir eine gute Ausgangsbasis für das haben, was notwendig ist.

Ich habe auch vorgeschlagen, dass wir uns sehr konkret mit der Frage auseinandersetzen, wie wir auch gegen Schiffe vorgehen können, die solche Zerstörungen verursachen könnten oder auch tatsächlich verursacht haben. Wir haben Rechte, wenn sie sich in unseren Hoheitsgewässern befinden, aber das geht auch darüber hinaus. Deshalb werden wir ganz konkret im Rahmen der dafür zuständigen Außenministerien eine Arbeitsgruppe etablieren, in der wir über die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten reden, die wir haben, um auch in solchen Gewässern gegen Schiffe vorgehen zu können, die Zerstörung verursacht haben oder von denen wir befürchten, dass sie dies tun werden, schauen, ob wir mit dem vorhandenen internationalen Seerecht genügend Handlungsinstrumente haben, und gegebenenfalls zusätzliche Möglichkeiten im Rahmen der EU und der nationalen Gesetzgebung schaffen, damit wir nicht nur zuschauen, sondern handeln können. Das ist uns jedenfalls sehr wichtig, wenn es um diese Fragen geht.

Ansonsten wird es auch darum gehen, dass wir unsere technologischen Möglichkeiten ausweiten. Wir wollen deshalb eine Tagung veranstalten, auf der wir über die Frage reden, wie man die Überwachung mit Drohnen weiter verbessern kann und welche Drohnen dafür entwickelt werden müssen. Das wird zusammen mit der Rüstungswirtschaft stattfinden. Dazu werden wir durch das Verteidigungsministerium nach Rostock einladen, sodass wir unsere Vorbereitung auf die schwierige Situation in der Ostsee weiter vorantreiben können.

Zusammenfassend will ich sagen: Das war ein ganz, ganz wichtiges Treffen, ein Zeichen der Einheit, der gemeinsamen Bereitschaft, sich der Herausforderung zu stellen, die durch die hybriden Attacken auf unsere Unterwasserinfrastruktur entstehen können. Wir achten gleichzeitig darauf, dass wir neue Möglichkeiten entwickeln, mit denen wir die Sicherheit gewährleisten können und mit denen wir auch diejenigen zur Rechenschaft ziehen können, die solche Aktivitäten unternehmen. Deshalb wird es auch weiterhin dazu gehören, dass wir gegen die russische Schattenflotte vorgehen, auch mit den Sanktionen, die bereits auf den Weg gebracht worden sind, und weiteren, die noch kommen können, auch gegen konkrete Schiffe und Reedereien, die in diesem Zusammenhang letztendlich auch eine Gefährdung der Umwelt mit sich bringen.

In dem Sinne: Es war gut, dass das Treffen hier stattgefunden hat. Es war sehr erfolgreich. Es wird eine Einbindung aller anderen in der NATO und der EU geben, und wir werden uns praktisch daran machen, die Dinge, die wir hier besprochen haben, umzusetzen.

Fragerunde im Anschluss

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben heute Morgen angedeutet, dass sich auch deutsche Schiffe an der NATO-Mission beteiligen könnten. Haben Sie heute ein konkretes Angebot dafür gemacht, wie viele Schiffe das sind und ob sich vielleicht auch Flugzeuge an der Überwachung der Ostsee beteiligen?

Zweite Frage: Heute waren auch Dänemark und andere nordische Staaten dabei. Haben Sie auch überDonald Trumpund seine Gebietsansprüche in Grönland geredet?

Bundeskanzler Scholz: Erstens. Wir werden uns mit all dem, was wir an Möglichkeiten der Marine haben, beteiligen. Das wird wechseln, was die konkreten Einsatzmöglichkeiten betrifft. Wir haben uns aber auch verabredet, dass wir über die Frage, was zu welcher Zeit konkret eingesetzt wird, nicht im Einzelnen kommunizieren, sondern dass das etwas ist, das dann die NATO gemeinsam für alle machen muss.

Was die Frage der Situation im Hinblick auf Grönland betrifft, so haben wir darüber natürlich gesprochen - alles andere wäre ja verwunderlich. Alle waren sich sehr einig, dass das, was ich auch öffentlich gesagt habe, unsere gemeinsame Haltung ist: Es darf nicht so sein, dass das Prinzip, dass Grenzen unantastbar sind und nicht mit Gewalt verändert werden, irgendwo infrage gestellt wird.

Frage: Was die Sabotageakte betrifft, hat der schwedische Ministerpräsident eben gesagt: Wir beschuldigen niemanden. Wie sicher waren Sie sich in der Runde und wie sicher sind Sie sich, dass Russland hinter diesen Aktivitäten zu vermuten ist?

Bundeskanzler Scholz: Es ist für uns aus prinzipiellen Gründen wichtig, dass wir, wenn wir ganz konkrete zugeordnete Vorwürfe erheben, das auch beweisen können. Ich glaube, das gehört zu rechtsstaatlichen Prinzipien, die auch für uns wichtig sind, und so erklärt sich auch die Äußerung des schwedischen Ministerpräsidenten. Gleichzeitig ist es aber doch sehr offensichtlich, dass diese ganze Reihe von Unfällen nicht nur zufällig sein kann.

Frage: Herr Bundeskanzler, noch einmal zu den Schiffen: Muss angesichts des robusteren Auftretens, das jetzt geplant ist, für die Bundesmarine nachjustiert werden und mehr bestellt werden? Denn die Bundesmarine müsste dann ja, genauso wie die anderen Ostseeanrainer, auch in der Lage sein, Schiffe, die nicht kooperieren wollen, festzuhalten.

Erlauben Sie mir noch eine innenpolitische Frage: Der Unionskanzlerkandidat hat gerade Zweifel an der Zukunft von grünem Wasserstoff geäußert. Teilen Sie die Besorgnis, dass das für die nahe Zukunft keine Option mehr ist?

Bundeskanzler Scholz: Zunächst einmal: Wir haben eine sehr gute Planung, was unsere Bundeswehr bzw. was die Marine betrifft, die in diesem Fall gemeint ist. Wir werden das immer anpassen im Rahmen der Diskussionen, die wir mit Blick auf die Fähigkeitsprofile der NATO gegenwärtig führen; denn es gehört dazu, dass wir ganz genau beschreiben, was wir tun müssen. Wichtig ist, dass wir mit allen anderen zusammen immer genau betrachten: Welche Möglichkeiten brauchen wir gemeinsam? Deshalb gibt es auch den Vorschlag, dass wir uns in Rostock koordinieren, dass wir uns in der NATO insgesamt koordinieren und dass wir auch unsere Aktivitäten miteinander abstimmen. Dazu dient auch die "Baltic-Sentry"-Operation, die ja nicht nur eine konkrete Überwachung möglich macht, sondern die auch die Zusammenarbeit für diesen Zweck intensiviert. Alles andere ist dann gewissermaßen später zu ermitteln.

Was die Frage der Zukunft unserer industriellen Aktivitäten betrifft, ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir den Pfad verfolgen, dass wir Wasserstoff in Zukunft in Deutschland einsetzen können müssen. Ich glaube, dass es deshalb richtig ist, dass wir die Produktion von Wasserstoff auch durch Elektrolyse in Deutschland möglich machen. Dazu haben wir sehr viele rechtliche Voraussetzungen geschaffen, und wir sind dabei, weitere zu schaffen. Es ist wichtig, dass wir für die Unternehmen die Möglichkeit schaffen, Wasserstoff einzusetzen. Wie Sie wissen, bin ich für größtmöglichen Pragmatismus. Die Frage, welche Farbe der Wasserstoff hat, ist bei der Frage der Expansion erst einmal nicht die erste Priorität. Aber bei dem Wasserstoffangebot, das in Deutschland in Zukunft notwendig ist, wird ganz sicherlich grüner Wasserstoff eine wachsende Rolle spielen. Insofern ist die Antwort nicht Ideologie - also "Immer nur grüner Wasserstoff!" oder "Das wird nichts!" -, sondern Pragmatismus, indem wir die ganze Breite nutzen, weil das für die Einführungsphase von großer Bedeutung ist.

Sie wissen, dass wir mit dem Ausbau der Erzeugungskapazitäten für erneuerbaren Strom in Deutschland durch Windkraft und Solarenergie sehr weit vorangekommen sind. Wir werden das Ziel erreichen können, dass 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen und dass wir mehr Strom produzieren, als das heute der Fall ist, weil das für die Elektrifizierungsprozesse, die auch industriell gewünscht sind, dringend erforderlich ist. Wir sind dabei, das gleichzeitig dadurch möglich zu machen, dass wir das Stromnetz ausbauen, also die großen Übertragungsnetzstrukturen weiterentwickeln, sodass der Strom billig produziert werden kann und dorthin gelangt, wo er gebraucht wird. Wir werden das durch Wasserstoff-ready-Gaskraftwerke unterstützen - das ist die Kraftwerksstrategie -, die dazu dienen, Strom dann zu produzieren, wenn das Gesamtangebot nicht reicht, das aus Windkraft und Sonnenenergie hergestellt werden kann. Dafür werden jetzt die Weichen gestellt, damit diese Investitionen von den privaten Unternehmen getätigt werden können, die mit uns in engem Austausch bei der Entwicklung dieser Strategie stehen. Sie wissen, es gibt dazu Vorschläge, über die weiter diskutiert wird und im Rahmen derer wir ganz konkret auch von der Industrie wissen wollen, ob die als ökonomisches Konzept funktionieren. Die Debatte ist im Gang, und dann wird es entsprechende Vorschläge geben.

Dazu gehört aber auch die Etablierung eines Wasserstoffnetzes. Dafür haben wir die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen - das ist eine privatwirtschaftliche Investition von am Ende mehr als 20 Milliarden Euro -, und die ersten Kilometer werden in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Das ist notwendig. Wir haben wirklich einen Weg gefunden, wie das mit privaten Investitionen geschehen kann. Wir sind also auf dem Pfad, Wasserstoff zu nutzen, und wir machen es pragmatisch, und das ist, glaube ich, genau der richtige Ansatz.

Frage: Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie auch die anderen Staaten der EU und der NATO einbinden wollen. Aber wie realistisch ist es überhaupt, dabei mit Blick auf die NATO und vielleicht die Amtseinführung von Donald Trump ein gemeinsames Vorgehen zu finden? Auch innerhalb der EU gibt es immer mehr Staaten, die kritisch gegenüber Sanktionen gegen Russland sind. Wird es da in Zukunft nötig sein, weiterhin in so kleinen Formaten voranzugehen, weil man einfach keine der beiden Allianzen zusammenführen kann?

Bundeskanzler Scholz: Nein, wir sind hier als Ostseeanrainer in der NATO und der EU zusammengekommen, und das ist doch ein höchst plausibler Ansatz. Das heißt aber von vornherein, dass wir gar nicht vorhaben, uns auf uns zu beschränken, sondern wir wollten einfach einmal eine pragmatische Debatte über das, was zu tun ist, führen, als die unmittelbar im Ostseeraum Berührten. Es ist aber unsere gemeinsame Verantwortung innerhalb der EU und auch innerhalb der NATO, dass wir diese Frage lösen, und deshalb bin ich ganz zuversichtlich, dass wir auch alle anderen hierbei einbinden können.

Ich bin auch zuversichtlich, dass wir gemeinsam weiter handeln werden, wenn es etwa als Europäische Union um die Frage der Unterstützung der Ukraine geht, und dass wir auch weiter gemeinsam handeln können, wenn es darum geht, die notwendigen Sanktionen gegen Russland zu beschließen.

Frage: Der finnische Präsident sagte heute Morgen, es sei nötig, die Ostsee für die Schattenflotte zu schließen. Teilen Sie dieses Ziel, und schließt das Ihrer Meinung nach auch ein, Schifffahrtswege zu blockieren, notfalls auch militärisch?

Bundeskanzler Scholz: Der finnische Präsident ist der Meinung, dass wir uns mit der Schattenflotte auseinandersetzen müssen, dass wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Es ist ja in gewachsenem Maße gelungen, dass wir viele dieser Schiffe dazu auffordern, dass sie sich versichern, etwas, das von großer Bedeutung ist. Dieser Weg muss auch weitergegangen werden.

Der nächste Schritt ist das, was ich eben gesagt habe, nämlich dass wir eine juristische Analyse vornehmen, was wir für Handlungsmöglichkeiten haben, wenn wir sehen, dass ein Schiff für Infrastruktur bedrohlich werden kann oder bedrohlich geworden ist, und dass wir auch dann handeln können, wenn es sich nicht zum Beispiel in finnischen Gewässern befindet. Das ist die Aufgabe, die wir uns als nächste stellen.

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