06/13/2025 | Press release | Distributed by Public on 06/13/2025 00:55
Interview: Jacqueline Olivier Foto: Marion Nitsch
Sie leiten das Schweizerische Observatorium für die Berufsbildung an der EHB - was genau beobachten Sie?
Zum einen identifizieren wir aktuelle Trends und Entwicklungen in der Berufsbildung. Dafür nutzen wir zwei Instrumente: ein Literaturmonitoring ausgewählter Zeitungen und Zeitschriften und ein Monitoring politischer Geschäfte, die auf kantonaler oder auf Bundesebene in den entsprechenden Parlamenten verhandelt werden. Zum anderen führen wir auf der Basis unseres Monitorings vertiefte Analysen über gesellschaftliche, politische oder technologische Megatrends durch.
Welche Megatrends, die sich auf die Berufsbildung auswirken, beobachten Sie derzeit?
Ein Thema, das viele Bereiche der Berufsbildung betrifft und zahlreiche Akteure umtreibt, ist sicher die digitale Transformation und im Moment insbesondere die Künstliche Intelligenz. Ein zweites Thema ist der Ausbildungsmarkt - Stichwort Fachkräftemangel und demografischer Wandel -, und als drittes würde ich die Akademisierung nennen, also den Trend hin zum gymnasialen Weg.
Beginnen wir mit der digitalen Transformation: In der Arbeitswelt führt diese teilweise zu einer Automatisierung. Was bedeutet das für die Berufsbildung?
Die Digitalisierung ist ein Prozess, der schon länger andauert. Bis jetzt haben wir nicht gesehen, dass im Laufe dieses Prozesses radikale Veränderungen stattgefunden hätten, die die Berufsbildung als Ganzes infrage stellen würden. Die Art und Weise, wie die berufliche Grundbildung auf die Digitalisierung und Automatisierung reagiert, gleicht eher einer Evolution als einer Revolution.
Und wie wird die Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt und damit auch die Berufsbildung verändern?
Wohin die KI die Arbeitswelt führt, ist grösstenteils noch offen, diese Entwicklung ist gerade voll im Gang. Für gewisse Tätigkeiten wird nicht mehr der Mensch zuständig sein, sondern es wird darum gehen, zu wissen, wie man dafür eine KI anleitet und wie man das, was sie produziert, validiert. Durch die KI werden sich folglich bestimmte Prozesse ein Stück weit verkürzen und verändern. Das könnte zum Beispiel im Bereich der kaufmännischen Berufe eine Rolle spielen, also dort, wo der Schwerpunkt auf kognitiven Tätigkeiten liegt. In vielen handwerklichen Berufen kommt KI zwar ebenfalls zunehmend zum Einsatz, aber dass die KI Kernarbeitsprozesse insbesondere in Berufen mit einem hohen Anteil an anspruchsvollen kognitiven Tätigkeiten beeinflussen kann ist neu. Dies war bei früheren Digitalisierungsprozessen anders.