WHO - World Health Organization Regional Office for Europe

09/18/2025 | Press release | Distributed by Public on 09/18/2025 15:12

Estlands wirksame Konzepte zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten: gewonnene Erkenntnisse

Estland hat bemerkenswerte Fortschritte bei der Verringerung der vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erzielt. Es ist einer von zehn Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO, die die Zielvorgabe für 2025 des Globalen Kontrollrahmens für nichtübertragbare Krankheiten erreicht haben, die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten um 25 % zu senken.

Obwohl Estland ein kleines Land mit begrenzten Ressourcen ist, hat es ein Engagement für evidenzbasierte Handlungskonzepte, ressortübergreifende Zusammenarbeit und gesundheitspolitische Maßnahmen gezeigt, das für die Europäische Region der WHO und darüber hinaus unschätzbare Erkenntnisse liefert. Ein aktueller Bericht des WHO-Regionalbüros für Europa mit dem Titel "Vermeidbare Sterblichkeit, Risikofaktoren und Konzepte zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten - Nutzung von Daten zur Erzielung von Wirkung" hebt Estlands umfassenden Ansatz zur Prävention und Bewältigung nichtübertragbarer Krankheiten hervor.

Umfassende Tabak- und Alkoholkonzepte

Der Erfolg Estlands bei der Bekämpfung des Tabakgebrauchs und der Verringerung des Alkoholkonsums ist auf seine nationale Strategie zurückzuführen. Diese 2014 eingeführte Strategie legt den Schwerpunkt auf gesundheitspolitische Interventionen und kombiniert gesetzgeberische Maßnahmen mit gezielten Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Estland hat strenge Vorschriften für den Tabakkonsum eingeführt, darunter:
  • ein Verbot von aromatisierten Tabakerzeugnissen
  • ein Verbot des Fernabsatzes
  • die Durchsetzung strenger Altersgrenzen und Vermarktungsbeschränkungen.
Dieser Ansatz führte nicht nur zu einer Verringerung des Tabakkonsums, sondern verdeutlichte auch, wie wichtig die Ausrichtung nationaler Handlungskonzepte an europäischen Vorschriften ist. Estland steht jedoch vor neuen Herausforderungen durch neue Nikotinprodukte, die aggressiv an jüngere Bevölkerungsgruppen vermarktet werden. Wie Riina Sikkut, Estlands ehemalige Gesundheitsministerin, betont: "Europäische Handlungskonzepte können bei der Bekämpfung dieser Produkte erheblich wirksamer sein als nationale Konzepte."

Die Reduzierung des Alkoholkonsums, ein kulturell sensibles Thema in Estland, erforderte mutige Maßnahmen. Zwischen 2014 und 2019 setzte die Regierung folgende Maßnahmen um:
  • erhebliche Erhöhungen der Verbrauchssteuern
  • Werbebeschränkungen
  • eine Beschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol.
Diese Interventionen führten zu einem stetigen Rückgang des Alkoholkonsums und der damit verbundenen
Gesundheitsprobleme. Politische Veränderungen im Jahr 2019 führten jedoch zur Senkung der Verbrauchssteuern, was mit einem Anstieg des Alkoholkonsums und der damit verbundenen Schäden einherging. Im Jahr 2024 erhöhte Estland die Verbrauchssteuer erneut, und für die kommenden Jahre sind weitere Erhöhungen geplant. Riina Sikkut betont: "Es kann ein Konsens über den Schutz der Gesundheit von Kindern geschaffen werden, um sicherzustellen, dass die nächste Generation von diesen Beschränkungen profitiert."

Bekämpfung von Adipositas und Förderung einer gesunden Ernährung

Trotz Fortschritten in anderen Bereichen geben die Adipositasraten in Estland weiterhin Anlass zur Sorge. Die Bemühungen des Landes konzentrieren sich auf die Förderung von gesunder Ernährung und körperlicher Betätigung durch Initiativen wie:
  • kostenlose Schulmahlzeiten und Programme für Obst und Gemüse; und
  • subventionierte Bewegungs- und Freizeitprogramme für Kinder, insbesondere in unterversorgten Regionen.
Auch wenn diese Maßnahmen durchaus zu Ergebnissen geführt haben, steigen die Adiopositasraten insgesamt weiter an. Versuche, eine Steuer auf zuckergesüßte Getränke einzuführen, scheiterten zweimal an politischem Widerstand. Stattdessen bemüht sich Estland um Vereinbarungen mit Lebensmittelherstellern über die Neuformulierung von Handelsprodukten, um deren Zucker-, Salz- und Fettgehalt zu reduzieren, und setzt eine freiwillige Vereinbarung zur Begrenzung der Exposition von Kindern gegenüber Lebensmittelwerbung durch. Riina Sikkut erkennt die bestehenden Herausforderungen an: "Die Selbstregulierungsbemühungen der Industrie sind unzureichend, da fast 70 % der an Kinder gerichteten Werbung die vereinbarten Standards nicht erfüllen."

Stärkung der primären Gesundheitsversorgung

Estlands niedrigschwelliges System der primären Gesundheitsversorgung, das keine Zahlungen aus eigener Tasche vorsieht, hat entscheidend dazu beigetragen, die Sterblichkeit aufgrund behandelbarer Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Klinische Leitlinien stellen sicher, dass Patienten eine standardisierte, qualitativ hochwertige Versorgung erhalten. Darüber hinaus haben proaktive pharmazeutische Leistungen wichtige Medikamente wie Statine erschwinglicher gemacht, so dass die Kosten kein Hindernis für eine Behandlung darstellen.

Mit Blick auf die Zukunft plant Estland, Ernährungsberatung in die primäre Gesundheitsversorgung zu integrieren, um Patienten in die Lage zu versetzen, gesündere Entscheidungen bezüglich ihrer Lebensführung zu treffen. "Durch die Aufnahme von Ernährungsexperten in Teams der primären Gesundheitsversorgung können wir Übergewicht und mit der Lebensführung verbundene Probleme wirksamer bekämpfen", erklärt Riina Sikkut.

Lehren aus dem Erfolg Estlands

Die Erfolge Estlands bei der Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten unterstreichen die Bedeutung eines umfassenden, evidenzbasierten Ansatzes. Die wichtigsten Erkenntnisse sind nachstehend aufgeführt.
  1. Ressortübergreifende Zusammenarbeit: Estlands Strategien zur Verringerung des Alkohol- und Tabakkonsums umfassen eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ministerien für Gesundheit, Bildung und Soziales. Durch diese Zusammenarbeit wurde sichergestellt, dass die Handlungskonzepte an den grundlegenden Ursachen gesundheitlicher Risiken ansetzen.
  2. Gleichgewicht zwischen nationalen und europäischen Konzepten: Die Ausrichtung der nationalen Strategien an europäischen Vorschriften hat ihre Wirksamkeit erhöht, insbesondere bei der Bekämpfung des Tabakkonsums. Das Beispiel Estlands zeigt, wie wertvoll die regionsweite Zusammenarbeit bei der Bewältigung grenzübergreifender Herausforderungen ist.
  3. Anpassung an politische Realitäten: Der politische Wille und gesellschaftliche Einstellungen beeinflussen gesundheitspolitische Initiativen erheblich. Estland meisterte diese Herausforderungen, indem es einen Konsens über den Schutz der Gesundheit von Kindern herstellte, der sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei politischen Entscheidungsträgern Anklang fand.
  4. Proaktive Nutzung von Evidenz: Estlands Engagement für eine evidenzgeleitete Politikgestaltung ermöglichte es dem Land, Maßnahmen mit erwiesener Wirksamkeit umzusetzen. Dieser Ansatz hat nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit gestärkt, sondern auch für messbare gesundheitliche Resultate gesorgt.

Der Weg nach vorn

Estlands Weg verdeutlicht die Macht der Beharrlichkeit im öffentlichen Gesundheitswesen. Trotz Rückschlägen ist das Land weiterhin innovativ und passt seine Strategien an, was beweist, dass auch kleine Länder bedeutende Fortschritte im Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten erzielen können. Riina Sikkuts Optimismus ist deutlich: "Wenn man auf dem evidenzbasierten Pfad bleibt und politische Chancen nutzt, kann man bessere gesundheitliche Resultate für alle erreichen."

Estlands Geschichte dient als Modell für andere Länder, die versuchen, die Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten zu verringern. Indem sie der Prävention Vorrang einräumen, die ressortübergreifende Zusammenarbeit fördern und nationale Handlungskonzepte an den regionsweiten Rahmen ausrichten, können die Länder eine gesündere Zukunft für ihre Bevölkerung aufbauen. Die Erfahrungen Estlands zeigen, dass wirksame, evidenzbasierte und an die lokalen Gegebenheiten angepasste Konzepte der Schlüssel zur Bekämpfung der Epidemie der nichtübertragbaren Krankheiten sind.

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