07/10/2025 | Press release | Archived content
"Es führt kein Weg daran vorbei, jetzt schon den Wiederaufbau zu leisten" - Bundeskanzler Merz bei der Ukraine Recovery Conferencein Rom.
Foto: Bundesregierung/Sandra Steins
"Der Wiederaufbau der Ukraine ist nicht nur eine Sache der Zukunft. Er beginnt nicht erst, wenn die Waffen schweigen." Das sagte Bundeskanzler Friedrich Merz nach der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in Rom. Deutschland unterstütze die Ukraine auch im eigenen Interesse: "Für unsere gemeinsame politische Freiheitsordnung in Europa, die Freiheit der Märkte, Wachstum und unsere Energiesicherheit."
Kanzler Merz nutzte das Treffen auch, um mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjund weiteren Gesprächspartnern die Lage zu beraten. Er betonte, dass auch die ukrainische Luftverteidigung eine wichtige Rolle spielt. Deutschland stehe bereit, auch zusätzliche Patriot-Systeme aus den USAfür die Ukraine zu erwerben.
Bundeskanzler Friedrich Merz:
Meine Damen und Herren, herzlich willkommen! Ich freue mich, dass wir uns sehen und dass ich Gelegenheit habe, mit meiner Delegation an der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine heute in Rom teilzunehmen.
Ich möchte den Co-Gastgebern, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die uns heute hier in Rom zusammenbringen, zunächst einmal ein herzliches Wort des Dankes sagen. Nachdem wir diese Konferenz im letzten Jahr in Berlin abgehalten haben, findet sie dieses Jahr in Rom statt. Es ist eine gute Sache, dass unsere italienischen Partner hier an das anknüpfen, was wir in Deutschland im letzten Jahr besprochen haben.
Deutschland ist, wie Sie alle wissen, der größte Unterstützer der Ukraine auch im zivilen Bereich. Insgesamt beläuft sich unsere bilaterale zivile Unterstützung bisher auf rund 34 Milliarden Euro. Lassen Sie mich an dieser Stelle eines betonen: Wenn wir uns um die Ukraine kümmern, dann kümmern wir uns auch um uns. Das ist also keine altruistische Leistung für ein Land in Not, sondern das ist, wie ich es immer wieder betone, die gemeinsame Verteidigung unserer politischen Freiheitsordnung in Europa. Das sind auch unsere Interessen. Wachstum, Freiheit der Märkte, unsere Energiesicherheit sowie auch die außergewöhnlichen Belastungen unserer Sozialsysteme durch Kriegsflüchtlinge: Das alles ist gekoppelt an den Krieg in der Ukraine. Deswegen ist es auch wenig hilfreich, zwischen unseren äußeren Interessen und den inneren Interessen unseres Landes zu unterscheiden. Deutschlands Zukunft ist mit der Zukunft der Ukraine auf diese Weise eben sehr eng verbunden.
Der Wiederaufbau der Ukraine ist nicht nur eine Sache der Zukunft. Er beginnt nicht erst, wenn die Waffen schweigen, sondern er ist tatsächlich längst im Gang. Seit 2022, also schon seit dem ersten Kriegsjahr, reparieren wir beschädigte Kraftwerke, Stromleitungen, Krankenhäuser und Schulen in der Ukraine. Tag für Tag sorgen wir so dafür, dass das Leben in der Ukraine trotz aller täglichen und vor allem nächtlichen Angriffe Russlands weitergehen kann.
Ich möchte hier heute drei Dinge betonen:
Erstens. Es führt kein Weg daran vorbei, jetzt schon den Wiederaufbau zu leisten und den weiteren zu planen. Unsere ukrainischen Partner sagen uns: Das ist ganz entscheidend für die Moral im Land. Es stärkt der Ukraine gerade in diesen schweren Tagen den Rücken, in denen Russland Nacht für Nacht rücksichtslos Raketen und Drohnen auf die Menschen in Kiew und andere Städte schießt, so viel wie nie zuvor in den letzten dreieinhalb Jahren.
Zweitens. Russland hat in mehr als drei Jahren Krieg enorme Schäden angerichtet. Wir gehen von Sachschäden in Höhe von rund 500 Milliarden Euro aus. Russland muss für diese Schäden aufkommen. Bis dies geschehen ist, darf Russland und wird Russland auch keinen Zugang zu den eingefrorenen russischen Vermögenswerten erhalten. Ich will dazu auch noch einmal sagen: Das Einfrieren wird bleiben; die Nutzung der Zinsen oder der Erträge aus den Vermögenswerten wird mit der von uns dargestellten Mechanik verwendet. Auch die Vermögenswerte selbst werden gegebenenfalls im Zusammenhang mit einem entsprechenden Abkommen zu verwerten sein.
Um neu aufzubauen, was zerstört wurde, braucht es jetzt schon starke Partner. Die sind heute hier. Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von vielen Staaten kommen heute zusammen. Die Europäische Union, die G7, die großen internationalen Organisationen, sie alle sind hier, um ein Zeichen zu setzen: Wir stehen an der Seite der Ukraine. Wir alle zusammen sind froh, dass auch die USA eine Delegation entsandt haben.
Ein dritter Punkt ist mir wichtig: Der Wiederaufbau der Ukraine wird sich nicht allein aus öffentlichen Mitteln leisten lassen; ohne die Privatwirtschaft wird es nicht gehen. Daher freut es mich ganz besonders, dass wir heute beispielsweise einen European Flagship Fund for the Reconstruction of Ukraineaus der Taufe heben.
Ich möchte auch die wertvolle Arbeit des Business Advisory Councilwürdigen, das bisher unter dem Vorsitz von Christian Bruch Wertvolles geleistet hat. Ich habe das auch in meiner Rede angesprochen. Ich habe mich mit dieser Gruppe auch in Berlin getroffen, als Präsident Selenskyjvor einigen Wochen zu Besuch war. Es ist wirklich beeindruckend, was gerade deutsche Unternehmen beim Wiederaufbau der Ukraine schon heute leisten. Sie investieren. Sie beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Deutschland, aber auch sehr viele aus der Ukraine. Sie leisten Sachspenden. Sie bauen buchstäblich wieder auf, was Russland zerstört. Dafür möchte ich mich bei den deutschen Unternehmen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Unternehmen, die ihre Arbeit unter erschwerten Bedingungen tun, sehr herzlich bedanken.
Meine Damen und Herren, das heutige Treffen habe ich auch dazu genutzt, um mit Präsident Selenskyjund anderen Gesprächspartnern über die Lage zu beraten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, was wir angesichts fortdauernder russischer Attacken und jüngster Signale aus Washington für die ukrainische Luftverteidigung tun können. Ich stehe dazu im engen Austausch mit der amerikanischen Regierung und mit Präsident Trump. Deutschland setzt seine Hilfen für die Ukraine in diesem Bereich fort. Wir stehen bereit, auch zusätzliche Patriot-Systeme aus den USA zu erwerben, um sie der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Die beiden Minister, Außenminister Wadephul und Verteidigungsminister Pistorius, stimmen sich zudem mit unseren Partnern eng ab, um zusätzliche Hilfen zu mobilisieren.
Unmittelbar im Anschluss an dieses Pressestatement werde ich am Treffen der Koalition der Willigen teilnehmen und dort auch kurz sprechen.
Wir tun dies, damit sich die Menschen in der Ukraine besser schützen können. Wir tun es, um die Chancen auf eine Verhandlungslösung zu erhöhen. Russland muss einfach verstehen, dass es sich militärisch nicht durchsetzen wird. Wir tun es nicht zuletzt deswegen, weil wir jedes Interesse daran haben, dass die Ukraine die Zerstörungen dieses Krieges eines Tages überwindet.
Ich habe mit meiner Rede heute Morgen drei Botschaften verbunden. Eine ging an die Slowakei. Ich will sie hier wiederholen. Ich erwarte, dass die Regierung der Slowakei unter der Führung von Robert Fico jetzt zustimmt, sodass das 18. Sanktionspaket im Rat verabschiedet werden kann.
Von den zwei weiteren Botschaften ging die eine nach Moskau, die andere nach Washington. Moskau muss verstehen, dass wir nicht aufgeben. Das ist keine Option. Die amerikanische Regierung und der amerikanische Präsident sollten bei uns bleiben. Dies ist die richtige Seite der Geschichte, auf der wir unterwegs sind. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die amerikanische Regierung das auch so sieht.
Herzlichen Dank.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben die Patriot-Systeme angesprochen. Um wie viele Systeme geht es dabei? Haben die Amerikaner schon ihre Bereitschaft erklärt, dieses Systeme zum Verkauf freizugeben?
Und - - -
Bundeskanzler Friedrich Merz: Ich muss ein bisschen auf die Uhr schauen. Erlauben Sie mir deswegen, schnell zu antworten. - Ich habe darüber mit Präsident Trumpvergangenen Donnerstag gesprochen und ihn gebeten, diese Systeme zu liefern. Die Amerikaner brauchen sie zum Teil selbst. Sie haben aber sehr viele. Darüber, ob es zu einer entsprechenden Lieferung kommt, verhandeln zurzeit die Verteidigungsminister. Darüber ist noch nicht endgültig entschieden.
Frage: Herr Bundeskanzler, aufgrund der Dimension des Themas eine innenpolitische Frage, wenn Sie erlauben: Morgen soll im Bundestag über die drei frei werdenden Verfassungsrichterposten abgestimmt werden. Aus Ihrer Fraktion gab es zuletzt große Bedenken gegenüber Frau Brosius-Gersdorf. Haben Sie diese Bedenken erreicht? Denken Sie, dass die Wahl in jedem Fall stattfinden wird? Wenn ja, wird sie durchgehen?
Bundeskanzler Merz: Sie werden verstehen, dass ich jetzt von italienischem Boden aus keine ausführliche Stellungnahme dazu abgebe. Ich werde morgen früh an der Fraktionssitzung teilnehmen, die wir haben, um diese Frage noch einmal zu besprechen. Ich werde heute Abend auch mit dem Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn noch einmal zusammenkommen. Wir werden darüber noch einmal sprechen und versuchen, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
Ich bedanke mich herzlich. Wir sehen uns, jedenfalls einige von Ihnen, nachher auf dem Rückflug.