12/04/2025 | Press release | Distributed by Public on 12/04/2025 08:02
Wien (PK) - Zum "Schutz der kindgerechten Entwicklungs- und Entfaltungsfreiheit" soll es Schülerinnen bis zu ihrem 14. Geburtstag untersagt werden, in der Schule ein Kopftuch zu tragen, das "das Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt". Die entsprechende Gesetzesnovelle wurde heute im Bildungsausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und der FPÖ mehrheitlich angenommen. Die Grünen stimmten gegen die Gesetzesnovelle, da sie diese als nicht verfassungskonform einschätzen.
Neben dem Kopftuchverbot in der Schule sieht die Gesetzesnovelle auch die Einführung einer Suspendierungsbegleitung vor. Verpflichtende Perspektivengespräche sollen außerdem künftig dazu beitragen, Schulabbrüche zu verhindern. Die Bestimmungen zum Kopftuchverbot und der Suspendierungsbegleitung sollen mit 1. September 2026 in Kraft treten. Hinsichtlich der verpflichtenden Perspektivengespräche bei Schulabbruch oder Schulausschluss sind Übergangsbestimmungen ab 1. Februar 2026 vorgesehen (298 d.B.).
Abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen, mit dem sie den Ausbau der Schulsozialarbeit und Schulpsychologie zur Stärkung von Konfliktprävention forderten. Ebenso wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ für einen "9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule" abgelehnt. Zustimmung von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen gab es für einen im Ausschuss eingebrachten Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, der darauf abzielt "klare Standards und Abläufe für den Umgang mit herausfordernderen Situationen zu entwickeln und die Schule als gewaltfreien Raum zu verankern."
Das Kopftuchverbot für Schülerinnen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres soll laut Gesetzesentwurf das Tragen eines Kopftuches nach islamischen Traditionen - vom Hijab bis zur Burka - umfassen. Gelten soll es sowohl in öffentlichen Schulen als auch in Privatschulen. In den ausführlichen Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es, dass das Verbot auf "ehrkulturelle Verhaltenspflichten" abzielt, die insbesondere das Ansehen einer Familie oder Gemeinschaft durch das Verhalten von Mädchen oder Frauen sichern soll. Nicht gelten soll das Kopftuchverbot beim Unterricht außerhalb des Schulgebäudes sowie bei Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen außerhalb der Schule. Auch der häusliche Unterricht ist vom Verbot nicht umfasst. Damit bleibe laut den Erläuterungen das elterliche Erziehungsrecht ihrer unmündigen Kinder außerhalb der Schule "umfänglich gewahrt". Bei einem erstmaligen Verstoß gegen das Verbot hat die Schulleitung unverzüglich mit der betroffenen Schülerin und ihren Erziehungsberechtigten ein klärendes Gespräch zu führen. Bei einem erneuten Verstoß ist laut Gesetzesentwurf die zuständige Schulbehörde zu verständigen, die erneut zu einem Gespräch einladen muss. Kommt es danach wieder zu einem Verstoß, so muss der zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger verständigt werden. Als letzte Konsequenz ist eine Geldstrafe von 150 € bis 800 € vorgesehen, im Fall der Uneinbringlichkeit soll eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen verhängt werden.
Intention der Gesetzesnovelle sei es, die Schule als sicheren Ort zu stärken, sagte Bildungsminister Christoph Wiederkehr im Ausschuss. Mit dem Kopftuchverbot wolle man junge Mädchen in der Schule von Druck befreien, das Verbot sei ein "klares Bekenntnis zur Gleichstellung von Mann und Frau". Die Suspendierungsbegleitung sei eine Abkehr von der bisherigen Handhabung, suspendierte Schülerinnen und Schüler einfach ohne Begleitung nach Hause zu schicken. Perspektivengespräche im Falle eines Schulabbruchs gebe es in vielen engagierten Schulen bereits jetzt, künftig sollten sie bundesweit verpflichtend stattfinden. Denn eine Kränkung bei Schulabbruch könne später zu schrecklichen Taten führen, so Wiederkehr.
Das Verbot von "Kopftüchern nach islamischen Traditionen" für Mädchen bis 14 Jahren in der Schule solle zu einem "fairen und gleichberechtigten Miteinander" beitragen, sagte Agnes Totter (ÖVP) Sie führte aus, dass ab Februar 2026 dazu eine Aufklärungsphase in den Schulen beginnen solle, bevor die in der Gesetzesnovelle enthaltenen Sanktionsregeln mit 1. September in Kraft treten. Nico Marchetti (ÖVP) bezeichnete das geplante Kopftuchverbot für Schülerinnen in der Schule als "extrem wichtiges Symbol" gegen Extremismus. Es sei Aufgabe der Politik - auch wenn es rechtlich umstritten sei - die Abwägung zwischen Kinderschutz und Religionsfreiheit zu treffen. Als Politiker seien ihm Kinderrechte wichtiger, betonte Marchetti.
Aus ihrer Sicht sei die Gesetzesnovelle "sehr wichtig und gelungen", sagte Martina von Künsberg Sarre (NEOS). Denn es gehe darum, Mädchen zu stärken und zu schützen. Sie verwies zudem auf zahlreiche "begleitende Maßnahmen", die dazu beitragen sollten, Schule "als sicheren Ort auszubauen". Auch Paul Stich (SPÖ) unterstrich, dass die Gesetzesnovelle dazu beitragen werde, Lösungen für die Herausforderungen in der Schule zu schaffen.
Sigrid Maurer (Grüne) betonte, dass sie es für "absolut notwendig" halte, über ein Kopftuchverbot zu diskutieren. Denn es komme vor, dass männliche Schüler den Mädchen in der Schule vorschreiben würden, wie sie sich zu verhalten hätten. Allerdings wolle ihre Fraktion für kein Gesetz stimmen, das als "eindeutig verfassungswidrig" einzuschätzen sei, sagte Maurer. Die in der Gesetzesnovelle enthaltene Etablierung von Suspendierungsbegleitung und von Perspektivengesprächen sei laut Maurer zu begrüßen.
Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) nannte das geplante Kopftuchverbot einen "guten Anfang", der allerdings zu mutlos ausgefallen sei. Statt das Kopftuch ganz aus dem "öffentlichen Raum rauszunehmen", konfrontiere man "kleine Kinder" mit einem Verbot. Sie warnte davor, dass junge Mädchen durch das Verbot unter schweren Druck geraten könnten, der zu Traumatisierungen führen könne. Aus ihrer Sicht wäre es daher besser gewesen, mit einem Kopftuchverbot bei Erwachsenen zu beginnen, meinte sie. Ihre Fraktionskollegin Katayun Pracher-Hilander sah im geplanten Kopftuchverbot einen "wunderbaren ersten Schritt", auch wenn dieser "noch zu kurz greifen" würde.
In einem wiederaufgenommen Entschließungsantrag der Grünen heißt es, dass die von der Bundesregierung geplanten Reformen zur Suspendierungsbegleitung ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung" seien, der allerdings erst dann zum Tragen komme, wenn ein "Problem bereits eskaliert sei". Der Fokus solle daher laut den Grünen auf "Prävention und Entlastung" gerichtet und die Schulsozialarbeit und Schulpsychologie ausgebaut werden (544/A(E)). Der Antrag blieb mit den Stimmen der Grünen in der Minderheit.
Agnes Totter (ÖVP) bezeichnete die Zielrichtung des Antrags der Grünen als "absolut nachvollziehbar" und ging auf Maßnahmen ein, die in diesem Zusammenhang bereits in Ausarbeitung seien. Martina von Künsberg Sarre (NEOS) brachte im Ausschuss in diesem Zusammenhang einen eigenen Antrag der Regierungsfraktionen ein. Dieser wurde mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen angenommen und zielt darauf ab, im gesamten Bundesgebiet eine "sichere und unterstützende Lernumgebungen zu stärken und sicherzustellen, dass der Chancenbonus, die Suspendierungsbegleitung, die Perspektivengespräche sowie Schulpsychologie, Schulsozialarbeit und weiteres psychosoziales Supportpersonal an Schulstandorten bedarfsgerecht, nachvollziehbar und vollumfänglich eingesetzt werden."
Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) führte aus, dass die Schule ein Ort der Wissensvermittlung und nicht der "therapeutischen Praxis" sein solle. Diese sei nach der Corona-Pandemie in den Mittelpunkt gerückt, da während der Pandemie in den Schulen "unfassbare Fehler" gemacht worden seien. Martina von Künsberg Sarre (NEOS) entgegnete, dass es Schulpsychologie auch schon vor der Corona-Pandemie gegeben habe, Schule sich weiterentwickle und Unterstützungspersonal an Schulen in vielen Ländern der Welt "State-of-the-Art" sei.
Bereits mehrfach forderte die FPÖ mit einem Entschließungsantrag die Umsetzung ihres 9-Punkte-Plans für eine gewaltfreie Schule. Der vorgeschlagene Plan umfasst Maßnahmen zur Prävention und Konflikt-Resilienz und Handlungsschritte im Fall einer Eskalation (147/A(E)). Der Antrag blieb mit den Stimmen der FPÖ in der Minderheit und wurde abgelehnt.
Hermann Brückl (FPÖ) betonte, dass es klare Handlungsanweisungen für Lehrkräfte brauche - wie sie im vorgeschlagenen "9-Punkte-Plan für eine gewaltfreie Schule" enthalten seien. Denn Lehrkräften müsse Sicherheit darüber gegeben werde, wie mit Fällen von Undiszipliniertheiten von Schülerinnen und Schülern umzugehen sei. Seine Fraktionskollegin Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) meinte, dass "Regeln für die Brennpunkte" fehlen würden und sah als Verursacher der Probleme "das Migrationsdisaster". Katayun Pracher-Hilander (FPÖ) meinte, dass das Erlernen der deutschen Sprache und der Wille zu Integration "an oberster Stelle stehen" müsse.
Nicht fehlende Regeln wären das Problem, sondern die Durchsetzung der bereits bestehenden "ganz klaren Regeln" an den Schulen, sagte Nico Marchetti (ÖVP) und sah in der geplanten Suspendierungsbegleitung "einen Schlüssel" zur Verbesserung der Situation. Petra Tanzler (SPÖ) und Agnes Totter (ÖVP) gingen darauf ein, dass es bereits zahlreiche Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen gebe und "vieles in Umsetzung" sei. Totter verwies zudem auf die im Regierungsprogramm vorgesehenen "Time-out-Formate".
Mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen, der die Einrichtung mobiler, interkultureller Unterstützungsteams fordert, um Schulen bei akuten Herausforderungen im Bereich kultureller und religiöser Spannungen sowie Fragen der Gleichstellung professionell zu unterstützen (559/A(E)). Fiona Fiedler (NEOS) verwies auf ein "umfassendes Unterstützungssystem" an den Schulen und ging auf im Regierungsprogramm noch dazu vorgesehene Maßnahmen ein. Sie stellte den Vertagungsantrag.
Sigrid Maurer (Grüne) kritisierte, dass die finanziellen Mittel für das Jugendcoaching "massiv gekürzt" worden seien. Mit einem Entschließungsantrag bemängelten die Grünen auch eine "Kompetenzzersplitterung", da das Jugendcoaching in die Zuständigkeit des Sozialministeriums falle, die praktische Arbeit aber im schulischen Bereich geschehe (598/A(E)).
Agnes Totter (ÖVP) verwies auf die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialministeriums. Die Wurzel der Probleme, die es zu beheben gebe, würden in der "völlig missglückten Migrationspolitik" liegen, sagte Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ). Es habe beim Jugendcoaching "keinen Kahlschlag" gegeben, meinte Paul Stich (SPÖ). Mittel für das Jugendcoaching seien vom Bundesschulbereich in den Mittelschulbereich verschoben worden, sagte Stich und stellte den Antrag auf Vertagung.
Mit einem weiteren Entschließungsantrag kritisierten die Grünen, dass es bisher keine einheitlichen und verpflichtenden Anforderungen an die Qualifikation von Leitungspersonen in elementaren Bildungseinrichtungen gebe, obwohl Expertinnen und Experten seit Jahren betonen würden, dass gut ausgebildete Leitungspersonen entscheidend für die Qualität in den Einrichtungen seien. Barbara Neßler (Grüne) forderte die Verankerung einer "österreichweit verpflichtenden Qualifikation" für Leitungspersonen von elementaren Bildungseinrichtungen im Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz (595/A(E)).
Katayun Pracher-Hilander (FPÖ) begrüßte die Forderung und meinte, dass Qualitätsstandards in diesem Zusammenhang in eine "positive Richtung" gehen würden. Eine "klare Qualifikation" von Leitungspersonen sei "natürlich notwendig", meinte auch Martina von Künsberg Sarre (NEOS). Sie verwies jedoch auf die Kompetenzverflechtung mit den Bundesländern. Ziel sei eine bundesweite Regelung, die man im Rahmen der Reformpartnerschaft mit den Bundesländern anstreben werde, sagte von Künsberg Sarre und stellte den Vertagungsantrag.
Neuerlich vertagt wurde ein Antrag der Grünen, der die Einführung von Ethikunterricht als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler fordert (313/A(E)). Sigrid Maurer (Grüne) unterstrich im Ausschuss die Wichtigkeit des Anliegens aus ihrer Sicht.
Ethik- und Religionsunterricht seien zwei unterschiedliche Dinge, meinte Marie-Christine Giuliani-Sterrer (FPÖ) und warnte vor dem "Toleranz-Paradoxon". Fiona Fiedler (NEOS) ging darauf ein, dass im Regierungsprogramm die Einführung des Schulfachs "Demokratiebildung" vorgesehen sei, in dessen Rahmen auch Fragen der Verantwortung und Ethik behandelt werden sollen. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) betonte, dass sich ihre Fraktion zum Religionsunterricht bekenne und meinte, dass das "Parallelsystem" von Religions- und Ethikunterricht gut laufen würde. Zudem sei die Einführung des Fachs Demokratiebildung abzuwarten. Jeitler-Cincelli stellte daher den Vertagungsantrag. (Schluss Bildungsausschuss) bea