09/22/2025 | News release | Distributed by Public on 09/22/2025 08:57
Den Auftakt machte Carolin Weber, Vorständin des Lebensmittelverbands, die für den kurzfristig verhinderten Präsidenten René Püchner einsprang. In ihrer Begrüßung machte sie deutlich, warum das Thema nicht nur auf die politische, sondern auch auf die wirtschaftliche Agenda gehört, als Frage der Haltung, aber auch der Wettbewerbsfähigkeit. Sie brachte den Grundton des Tages auf den Punkt: "Genau das ist Vielfalt."
© Foto: Jennifer Marke
Es folgte ein Grußwort von Staatsministerin Nathalie Pawlik. Sie sagte: "Wir müssen wieder mehr betonen, was gelingt. Trotzdem ist Integration kein Selbstläufer." Migration dürfe nicht allein über Arbeitsmarktzugang und Sprachkenntnisse definiert werden. Genauso wichtig sind gemeinsame Werte, echte Teilhabe und langfristige Perspektiven für ein gelungenes Zusammenleben.
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Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff eröffnete das Forum mit einem leidenschaftlichen Appell für eine neue Integrationskultur, jenseits von Symbolpolitik und Polarisierung. Migration, so Minhoff, sei keine Bedrohung, sondern eine demografische Notwendigkeit und zugleich eine Herausforderung, die klare Regeln und gegenseitige Verantwortung erfordere. Anhand persönlicher Erfahrungen aus seiner Heimat Duisburg-Marxloh schilderte er, wie Zuwanderung Stadtteile verändert und erhalten hat. Integration gelinge nicht durch Appelle allein, sondern durch das tägliche Leben gemeinsamer Werte. "Nur wer seine Werte praktiziert und vorlebt, macht sie sichtbar und verteidigt sie damit." Minhoff plädierte dafür, Probleme offen anzusprechen, mehr gesellschaftliche Durchlässigkeit zu ermöglichen und Integration als gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft zu verstehen. Vielfalt, so sein Fazit, sei kein romantisches Ideal, sondern gelebte Realität. "Es liegt an uns allen, ob daraus eine Erfolgsgeschichte wird."
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Wie steht es um die Akzeptanz kultureller Vielfalt in Deutschland? Prof. Dr. Frank Kalter vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung brachte Daten in die Debatte und erklärte, dass Migration für Deutschland keine Option, sondern eine demografische Notwendigkeit ist. Allein um den Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung auszugleichen, brauche es jährlich rund 400.000 Zuwanderer. Er unterstrich zugleich: "Deutschland hat also vergleichsweise eine sehr gute Arbeitsmarktintegration." Integration sei ein langfristiger Prozess, der Begleitung, Geduld und gesellschaftlichen Willen brauche.
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Prof. Panu Poutvaara, Leiter des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik, zeigte anschließend die konkrete Bedeutung für einzelne Branchen. Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung in den kommenden zehn Jahren um rund acht Millionen Menschen schrumpfen - mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Sozialsysteme. "Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 Jahre und jede fünfte älter als 66 Jahre", so Poutvaara. Besonders für die Ernährungswirtschaft sei Migration unverzichtbar: In der Gastronomie haben rund 45 Prozent der Beschäftigten eine ausländische Staatsangehörigkeit, in der Lebensmittel- und Fleischverarbeitung liegt der Anteil bei über einem Drittel, teils sogar bei mehr als 50 Prozent. Sein Fazit: Migration ist das Rückgrat der Branche - ohne sie wäre die Zukunftsfähigkeit vieler Betriebe nicht gesichert.
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Im ersten Panel wurde es persönlich. Unter dem Titel "Mein Weg - meine Stimme" berichteten drei Unternehmer von ihrem Weg in die Selbstständigkeit und den gesellschaftlichen Hürden, die sie dabei überwinden mussten. Engin Ergün, Geschäftsführer der ethnoIQ GmbH, erzählte, wie er einst ein Konzept für den Vertrieb von Halal-Gummibärchen in Deutschland entwickelte und damit Haribo überzeugte. "Diversity ist kein Trend oder Hype", so Ergün. André Kowalew, Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens Dovgan, betonte die wirtschaftliche Bedeutung osteuropäischer Lebensmittel: "Und ja, wir sind in dieses Jahr schon ungefähr bei 250 Millionen Euro Umsatz in Deutschland." Khuong Dat Vuong, Betreiber des Berliner Kultrestaurants Monsieur Vuong, berichtete, wie er mit 28 Quadratmetern und einer Suppe eine kulinarische Bewegung auslöste. "Ich habe einen Stein gesetzt für das Selbstbewusstsein der asiatischen Community", so Vuong.
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Nach der Mittagspause folgte das zweite Panel mit Fokus auf Ernährung, Gesundheit und kulturelle Prägung. Dr. Daniel Kofahl, Ernährungssoziologe vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK), plädierte in seinem Impuls für eine differenzierte Perspektive auf Esskultur: "Meine Hypothese ist, wir essen nie nur Nährstoffe, wir essen Bedeutungen, Zugehörigkeit, Status, Moral und Erinnerung." Im anschließenden Panel diskutierten Pastor Bernd Siggelkow (Die Arche), Dr. Niels Pörksen (Südzucker AG), Prof. Claudia Kardys (Hochschule Niederrhein) und Dr. Daniel Kofahl über Ernährung und Teilhabe. Es wurde deutlich: Kinderarmut, Bildungsbenachteiligung und mangelndes Gesundheitsbewusstsein sind zentrale Herausforderungen, vor allem dort, wo Migration auf geringe sozioökonomische Ressourcen trifft. Siggelkow formulierte es klar: "Also ich glaube, das große Problem ist, dass viele Kinder ja schon morgens ungefrühstückt in die Schule gehen." Dr. Niels Pörksen ergänzte: "Aufklärung, also das was es bedeutet, wenn ich fünf Schokoriegel am Tag esse, ist schon wichtig." Und Prof. Claudia Kardys sagte: "Ich glaub, wir haben allgemein dieses Kommunikationsproblem in ganz, ganz vielen Bereichen."
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Eine besondere Note setzte in der Pause der Kinderchor der Hasenschule, der mit seinem Liedern in ukranisch, spanisch und deutsch zeigt, wie kulturelle Vielfalt schon früh gelebt wird.
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Zwischen den Programmpunkten sorgte Dominique Macri mit ihren "Poetic Recordings" für verdichtete Perspektiven. Sensibel, pointiert und wortgewandt fasste sie das Gesagte zusammen.
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Das letzte Panel stand unter der Überschrift: "Migration & Werte - Was hält uns zusammen?" Ahmad Mansour, Psychologe und Autor, warb für eine neue Ehrlichkeit in der Debatte. "Politiker glauben oft, Integration sei Sprache plus Arbeit minus Kriminalität - aber das reicht nicht." Viele Zugewanderte kämen mit dem Wunsch nach Sicherheit, Freiheit und Wohlstand, seien aber mit einer Gesellschaft konfrontiert, die ihre Erwartungen kaum klar formuliere. Integration sei nur möglich, wenn Grundwerte nicht nur erklärt, sondern "in aller Deutlichkeit formuliert und vorgelebt" würden. "Integriert ist man, wenn man Freiheit als Chance begreift und nicht als Risiko", so Mansour. Im Panel sprachen Caroline Bosbach MdB, Oliver Bartelt (DMK), Ahmad Mansour, Nikolaus Blome (RTL) und Christoph Minhoff über Konfliktlinien, Polarisierung und Chancen. Auch hier war der Tenor klar: Wir müssen lernen, unsere Erwartungen klarer zu formulieren. Demokratie bedeutet auch Konflikt, aber auf Grundlage gemeinsamer Regeln. Oliver Bartelt schilderte seine Sorge: "Es macht mir Angst, in welch kurzer Zeit eine Käseverpackung zur Projektionsfläche für eine Debatte werden kann, die an Absurdität kaum zu überbieten ist." Nikolaus Blome forderte: "Und dann müssen wir viel mehr Geld stecken in Kurse, Integration, damit die Leute vernünftig die Sprache, eine Arbeit finden und so weiter und so fort." Caroline Bosbach betonte: "Also ich kann nur eins sagen, das, was ich jetzt eben von Ihnen gehört habe, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den wir in der Gesellschaft erleben, den erleben wir auch eins zu eins im Plenarsaal." Christoph Minhoff warnte davor, solche Diskussionen überhöht zu führen und dabei die gesellschaftliche Balance zu verlieren. Sein Appell: "Wir brauchen eine angstfreie Diskussion über Migration - weil wir die Menschen brauchen."
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Vielfalt ist längst gelebter Alltag, in der Lebensmittelwirtschaft, in der Gesellschaft, im Berufsleben. Doch sie braucht Pflege, klare Worte und offene Räume. Das "What the Food"-Forum hat gezeigt, wie wertvoll echte Begegnung, offene Debatten und gemeinsame Verantwortung sind. Wir bedanken uns bei unserem Partner, dem Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie, und bei allen Speakern, Gästen und Partnern für ihr Engagement, ihre Perspektiven und ihre Offenheit. Und ein herzliches Dankeschön an unsere Sponsoren Dr. Oetker, Ferrero, Haribo, Lebensmittel Zeitung, Mars, Mondelez, Schwartau und Unilever.