DDPS - Federal Department of Defence, Civil Protection and Sports of the Swiss Confederation

09/24/2024 | Press release | Distributed by Public on 09/24/2024 10:34

Rede von Bundespräsidentin Viola Amherd an der UNO-Generaldebatte

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

Bern, 24.09.2024 - Rede von Bundespräsidentin Viola Amherd, Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), an der UNO-Generaldebatte, New York, Dienstag, 24. September 2024.

Es gilt das gesprochene Wort

Herr Präsident der Generalversammlung
Herr Generalsekretär der Vereinten Nationen
Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Am Morgen des 3. März 2002 warf ich einen Zettel in die Urne, auf den ich ein entschlossenes «Ja» geschrieben hatte. Bereits am frühen Morgen wurden auf den Fernsehbildschirmen Zahlen und Prognosen eingeblendet.

Doch erst am Abend stand endgültig fest: Die Schweiz würde nach langem Ringen und einem kontroversen Abstimmungskampf den Vereinten Nationen beitreten. Tatsächlich gaben letztlich einige hundert Stimmen im Kanton Wallis - in meiner Heimatregion - den Ausschlag.

Die Schweizer Bevölkerung bekundete damals den Willen unseres Landes, Verantwortung wahrzunehmen und an der internationalen Politik solidarisch mitzuwirken.

Das ist mehr als zwei Jahrzehnte her. Heute spreche ich zu Ihnen, wenige Tage vor der Übernahme der Präsidentschaft des Sicherheitsrates durch die Schweiz. Die Welt hat sich geändert - unsere Prinzipien nicht.

Wie viele Länder verfolgt die Schweiz sorgenvoll, wie sich weltweit Spannungen verschärfen und neue Konflikte ausbrechen.

Wir sehen leider immer öfter, wie Menschenrechte grob verletzt und international anerkannte Grenzen eklatant missachtet werden. Macht droht vor Recht zu treten, und die Hemmschwelle zur Anwendung militärischer Gewalt ist offensichtlich markant gesunken.

Nur gemeinsam können wir jener Dynamik entgegentreten, die der grosse Schriftsteller Ferdinand Ramuz vor einem Jahrhundert so treffend in Worte gefasst hat: « Parce qu'un malheur ne vient jamais qu'un autre ne vienne ; les malheurs se marient entre eux, ils font des enfants. »

Vor uns türmen sich grosse Herausforderungen: Kriege, Katastrophen, Schäden, die wir unserem gemeinsamen Lebensraum zufügen, Chancen und Risiken, die der technologische Fortschritt mit sich bringt.

Die UNO ist als einzige universelle Organisation von zentraler Bedeutung, um diese Themen anzugehen.

Den Anfang machen wir hier, wenn wir uns dazu entscheiden, besser zusammenzuarbeiten - unabhängig von Staatsform, wirtschaftlichen Strukturen und kulturellen Unterschieden.

Die Welt darf nicht in Blöcke zerfallen. Das bedingt, dass wir Bereitschaft zeigen, mit allen Grossregionen der Welt Prinzipien auszuhandeln, die im gegenseitigen Interesse sind und von allen respektiert werden. Grundlage muss dabei stets das Völkerrecht sein.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren

Die Suche nach Frieden steht über allem, und die Schweiz engagiert sich dafür.

Aus Solidarität, in ihrer Tradition der Guten Dienste und weil Resignation und Untätigkeit nie eine Alternative sein dürfen, hat die Schweiz diesen Sommer mit der hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine rund 100 Staaten und internationale Organisationen versammelt.

Unser Ziel war es, einen ersten Impuls für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu geben, der auf dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen basiert. Die Bürgenstock-Konferenz war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Die 94 Unterzeichnerstaaten des Bürgenstock Joint Communiqués haben ihr Engagement für die Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen bekräftigt.

Wir erneuern unsere Einladung an die internationale Gemeinschaft, keine Mühen zu scheuen, um konkrete Massnahmen und dieses Joint Communiqué zu unterstützen.

Das Völkerrecht ist das Fundament, auf dem unsere gemeinsamen Bemühungen für Frieden, Sicherheit und Wohlfahrt in der Welt beruhen.

Die Genfer Konventionen, deren 75-jähriges Bestehen wir dieses Jahr begehen, regeln die rechtlichen Grundlagen des Krieges und somit den Schutz der Zivilbevölkerung.

Doch die jüngsten Zahlen der UNO stellen der Weltgemeinschaft ein miserables Zeugnis aus. Die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur werden nicht nur unzureichend geschützt, sondern immer wieder angegriffen.

Wir beobachten Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht, von Myanmar bis in die Ukraine, vom Nahen Osten bis in den Sudan. Mein Land hat sich stark dafür eingesetzt, dass der Sicherheitsrat insbesondere für Gaza und den Sudan Waffenstillstandsresolutionen verabschiedet.

Es ist dringend notwendig, dass diese Resolutionen jetzt umgesetzt und respektiert werden. Ebenso fordern wir nachdrücklich eine sofortige Rückkehr zu einer vollständigen Einstellung der Feindseligkeiten auf beiden Seiten der Blauen Linie.

Der hohe Preis, den die Zivilbevölkerung in diesen aktuellen Krisen und Konflikten zahlt, bestärkt die Schweiz darin, das humanitäre Völkerrecht weiterhin als eine absolute Priorität zu behandeln. Seine Einhaltung steht im Mittelpunkt unseres Engagements im Sicherheitsrat.

Der Schutz der Zivilbevölkerung ist nicht selbstverständlich und keineswegs garantiert. Er muss bei Konflikten global einen höheren Stellenwert haben.

Der beste Zustand für den Schutz der Zivilbevölkerung ist und bleibt Frieden. In diesem Sinne engagiert sich mein Land in der zivilen und militärischen Friedensförderung.

Auch wenn in einigen Friedensmissionen nicht alle gesteckten Ziele erreicht werden konnten, tragen sie Tag für Tag zur Sicherheit der Menschen, zu Stabilität und Frieden bei. Wir müssen Uneinigkeiten überwinden, wenn es darum geht, neue Missionen zu beschliessen. Frieden ist zu kostbar, um Spielball von Partikularinteressen zu werden.

Zusammen mit vielen internationalen Partnern leistet die Schweiz ihren Beitrag zur Friedensförderung und baut ihn - wo möglich - aus.

Neben Fragen von Krieg und Frieden beschäftigen uns viele weitere Herausforderungen, denen wir uns dringend stellen müssen:

Seit einigen Jahren wird es immer deutlicher, dass die Zivilbevölkerung nicht nur in bewaffneten Konflikten, sondern auch zunehmend vor Naturkatastrophen geschützt werden muss. Der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität haben existenzielle Auswirkungen auf immer mehr Menschen.

Es ist entscheidend, dass wir unser Engagement in diesen Bereichen ebenfalls hochhalten, ausbauen und wegweisende Schritte unternehmen. Viele der internationalen Umweltabkommen werden entweder gar nicht oder nur ungenügend umgesetzt. Das führt zu massiver Umweltzerstörung.

Sorgen bereitet mir auch die zunehmende Desinformation, die die freie Meinungsbildung auf der Grundlage von Fakten untergräbt. Private und staatliche Akteure streuen im eigenen Land und in anderen Staaten Falschmeldungen, um Polarisierung anzuheizen, Misstrauen zu säen und Staaten zu destabilisieren.

Die Schweiz setzt sich konsequent für die freie Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit ein.

Desinformation ist Gift. Ihr wollen wir entgegenwirken, indem wir besser erkennen, was freie Meinungsäusserung und was Manipulation von Fakten ist; indem wir illegitime Beeinflussung entlarven, offene, faire Debatten fördern und als Regierungen und internationale Organisationen transparent und sachlich informieren.

Exzellenzen
Meine Damen und Herren
Die Schweiz engagiert sich konsequent für einen starken und wirkungsvollen Multilateralismus.

Es braucht das Engagement aller Staaten, um gemeinsame Lösungen zu finden.

Mein Land ist geprägt von regelmässigen demokratischen Debatten auf allen Staatsebenen - in den Gemeinden, den Regionen und im Bund.

Auch zwischen den Staaten sind dringend wieder mehr solcher konstruktiven und friedlichen Debatten notwendig, um die existenziellen Herausforderungen anzugehen.

Vorgestern haben wir zusammen den Zukunftspakt verabschiedet. Der Pakt ist ein starkes Bekenntnis zum Multilateralismus. Eine seiner Schlüsseldimensionen ist die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie ist unser Fahrplan, den wir gemeinsam und so rasch wie möglich umsetzen müssen.

«Die Idee muss aus der Vision geboren werden wie der Funke aus dem Kieselstein.» Auch das ist ein Zitat von Ramuz. Und auch dieses Zitat hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüsst. Gefragt sind Mut und Zuversicht.

Wir brauchen zudem einen Rahmen, in dem wir als Partner gemeinsam um Lösungen ringen können. Diesen Rahmen bieten uns die Vereinten Nationen. Stärken wir sie.

Ich danke Ihnen.

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VBS Kommunikation
Bundeshaus Ost
CH - 3003 Bern

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Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
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