04/22/2021 | Press release | Archived content
Die Meissner AG hat das Automatisierungsangebot rund um den Werkzeug- und Formenbau für seine internationalen Kunden stetig erweitert. Im Jahr 2019 ist daraus ein eigener Geschäftsbereich geworden. Das Ziel: neben den Anlagen für das Be- und Entladen der Werkzeuge will Meissner neue Wege beim Einsatz von Robotersystemen erkunden. Dabei entstehen exzellente Fertigungslösungen wie das Projekt, bei dem ein Roboter im finalen Arbeitsschritt 160.000 Punzen aufbringt, die so individuell wirken, als wären sie in Handarbeit entstanden. Als Partner für die Programmierung des Roboters hat das Unternehmen mit dem FASTSUITE-Team von CENIT zusammengearbeitet.
Die ländliche Region zwischen Siegen und Marburg kennt man weltweit als eine Hochburg für den Formenbau "Made in Germany". Hier hat auch das Traditionsunternehmen Meissner seinen Sitz, das seit rund 100 Jahren für Kompetenz, Zuverlässigkeit und Innovation bei der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von Protoyp- und Serienwerkzeugen steht.
Für Innovationen durch Automatisierung setzt das Unternehmen auf ein junges Team um Maximilian Kombächer, 32 Jahre, der die Abteilung aufgebaut hat und heute Gruppenleiter für Automatisierungstechnik bei Meissner ist.
"Wir sind mit der Idee angetreten, dass wir mit Automatisierungslösungen dazu beitragen, unser angestammtes Produktangebot zu erweitern. Und dafür gehen wir über die früher üblichen Teilautomatisierungen hinaus. Das Ergebnis sind zum einen individuelle Sondermaschinen und Vorrichtungen, aber auch ganz neue Initiativen - aktuell beschäftigen wir uns zum Beispiel mit den Logistikaufgaben unserer Kunden beim Einsatz unserer Werkzeuge", berichtet Kombächer.
Die Freiheit, wie ein Start-up das Hier und Heute auf die Zukunft hin zu denken, hat auch beim Projekt für das vollautomatische Punzieren von Aluminium-Werkzeugen zum Erfolg geführt - das Patent dafür ist erteilt!
Mit den Werkzeugen werden Bodenbeläge für Nutzfahrzeuge aus Kunststoffen hergestellt. Das fertige Produkt soll rutschfest sein und dabei hochwertig wirken. Um diesen Effekt zu erreichen, lässt der Automobil-Hersteller die Form durch flächendeckende Punzierungen dekorativ strukturieren. Es soll eine gleichmäßige und dennoch möglichst willkürlich erscheinende, das heißt unregelmäßige Oberflächenstruktur erzeugt werden.
In Handarbeit dauert eine solche Veredelung leicht zwei bis drei Monate, denn jede Form sollte nur von einem Metallfacharbeiter punziert werden, damit das Schlagbild nicht abweicht. Und kein Mitarbeiter kann diese Arbeit mehr als 3 bis 4 Stunden am Tag machen.
Die Automatisierer bei Meissner taten sich daher mit den Kollegen aus dem Geschäftsbereich Werkzeuge für Fahrzeugauskleidung sowie der Forschung und Entwicklung zusammen, um der Frage nachzugehen, ob ein Roboter diesen manuellen Verfahrensschritt übernehmen kann.
Unterstützt von Fraunhofer entstand ein Algorithmus für das CAD-Autorenprogramm. Der Algorithmus generiert auf der Oberfläche des 3D-Modells Punkte, die den Aufsatzstellen für das Punzierwerkzeug entsprechen. Jedem Punkt ist ein Punzbearbeitungsschritt mit entsprechenden Attributen zugeordnet wie Position auf der Oberfläche, Ausrichtung der Punze, etc.
Bei der Verteilung und Ausrichtung der Punzen gilt es, verschiedene Rahmenbedingungen zu erfüllen. Zum einen gibt der Kunde eine gewisse Dichte der Punzen vor. Die Abstände einzelner Punzen müssen sich innerhalb eines bestimmten Wertebereichs bewegen. Die Abstände und Richtung der Punzen sollten außerdem eine hohe Varianz aufweisen, so dass ein handwerklicher Eindruck bestehen bleibt. Und schließlich sollte nicht durch bloßes Wiederholen bereits definierter Punktewolken ein ungewolltes Muster entstehen.
Die Mathematik für die Lösung dieser Rechenaufgabe integriert einen Zufallsgenerator, der sich von einem Punkt aus die nächsten Ansatzstellen definiert: "Das können Sie im CAD-Programm anschaulich verfolgen, während das durchgerechnet wird, wie von jedem Punkt ein Impuls ausgeht, der weitere Punkte wie ein Netz über die Fläche legt", berichtet Kombächer.
Mitte 2019 war die Entwicklung erfolgreich abgeschlossen. Meissner machte sich an den nächsten Schritt - aus den Daten für eine gegebene Roboterzelle ein entsprechendes Maschinesteuerprogramm zu erstellen.
Die ersten Versuche mit einem vorhandenen Tool für NC-Programmierung führten nicht zum gewünschten Ergebnis.
Die Aufgabe bringt einige neue Herausforderungen mit sich. "Das Werkzeug kommt als letzten Fertigungsschritt zum Roboter, das Finishing der Oberfläche ist schon passiert. Es wird danach nur noch gestrahlt, damit die Oberfläche wieder schön aussieht. Kollisionen des Roboters mit der Form sind zu diesem Zeitpunkt zwingend zu vermeiden und das muss auch klappen, wenn es Versprünge gibt", erklärt Marvin Duchhardt, Applikationsingenieur bei Meissner, der die Zusammenarbeit mit CENIT von Anfang an betreut hat. "Ein Schaden am Werkzeug bringt nicht nur Mehraufwand und Kosten mit sich, wir stehen in diesem Augenblick auch bereits kurz vor Liefertermin und haben keine Zeit für Verzögerungen."
Ein weiteres Zeitproblem ergibt sich aus der riesigen Datenmenge, die es zu verarbeiten gilt. "Um einmal die Dimensionen klar zu machen: Wenn wir ein komplettes Werkzeug punzen, dann sind das in etwa 160.000 einzelne Punzierungen", sagt Duchhardt. "Also müssen bei der Erstellung des Programms auch für 160.000 Positionen Roboterbewegungen programmiert werden, denn unsere Daten beinhalten noch keine An- und Abfahrtsregeln. Wenn Sie jetzt davon ausgehen, dass wir pro Punze mit vier Roboterbewegungen rechnen, dann ist klar, dass deutlich mehr als 100 Punzen auf einmal programmiert werden sollten, damit der gesamte Vorgang nicht zu lange dauert."
Die Verarbeitung der Daten muss außerdem stabil verlaufen, legt Kombächer nach: "Der Prozess darf nicht ins Stocken geraten, denn wir sind ja wie gesagt knapp vor Lieferung."
Anfang 2020 entschied sich Meissner, für die NC-Programmierung Unterstützung von außen ins Boot zu holen und stellte die Aufgabe mehreren Anbietern von Offline-Programmier-Software vor.
"Die Resonanz war eher verhalten, es gab nicht viele, die sich das zugetraut haben", erzählt Duchhardt. "Beim FASTSUITE-Team war das von Anfang an anders, die waren gleich Feuer und Flamme. Dieses Engagement hat seitdem nicht nachgelassen und macht unsere Partnerschaft mit CENIT bis heute aus."
Die 3D-Simulationsplattform FASTSUITE Edition 2 bietet ein einzigartiges Konzept für die Offline-Programmierung.
Weil Punzieren eine eher seltene Fertigungstechnologie im Industrieumfeld ist, gab es dafür tatsächlich noch kein eigenes FASTSUITE Technologiepaket, aber das CENIT Software Service Team konnte ein vorhandenes Modul (Bolzenschweißen) für die Anforderungen von Meissner anpassen. In enger Abstimmung mit dem Kunden wurde eine geeignete Programmiermethodik entwickelt.
Das CENIT Software-Service-Team war es auch, das den notwendigen Downloader (Translator) aufgebaut hat. Die Prozesspunkte werden in einem Datensatz in FASTSUITE Edition 2 eingelesen und abschnittsweise programmiert. Beim Pilotprojekt waren die 160.000 Prozessunkte, die Lösung lässt aber weit mehr zu.
Durch die realitätsnahe Simulation mit FASTSUITE E2 kann Meissner Kollisionen oder Probleme durch Singularitäten beheben, bevor der Roboter die Form tatsächlich punziert. Limitierender Faktor beim Fertigen ist die Robotersteuerung, die aktuell bis zu 6.000 Punzen auf einmal erfassen kann.
Im Pandemie-Jahr 2020 fanden die Projektbetreuung und die FASTSUITE-Schulungen unter besonderen Bedingungen statt. Mit Erfahrung, Leistungswillen und etwas Kreativität auf beiden Seiten ließ sich aber auch diese Hürde nehmen und seit Herbst 2020 ist das robotergestützte Punzieren ein zusätzliches Leistungsangebot von Meissner.
"Wir können ein flächig punziertes Werkzeug jetzt je nach Größe in sieben bis zehn Tagen herstellen! Die Automatisierung hat die Durchlaufzeit also ganz wesentlich zu verringern. Weil wir durch die Simulation den Prozess absichern, läuft der Roboter zudem bis zu 24 Stunden mannlos", fasst Duchhardt zusammen.
Diese Kennzahlen sind nicht die einzige Erfolgsmeldung des Projekts, ergänzt Kombächer: "Wir haben FASTSUITE im Praxiseinsatz erlebt und einen sehr guten Einblick in die Software erhalten. Für uns hat sich der Eindruck bestätigt, dass uns diese Software sowohl im Alltag der Automatisierung als auch bei innovativen Sonderprojekten bestens begleiten wird. Viele Dinge sind erst ins Rollen gekommen, als wir gesehen haben, was alles mit der Software möglich ist."
Dazu kommt für Duchhardt die proaktive Betreuung durch CENIT: "Diese vertrauensvolle Kommunikation, die da entstanden ist, die schätzen wir sehr. Ich finde das nicht alltäglich, dass immer jemand erreichbar ist, auch wenn mal irgendwo etwas nicht läuft."
Jan Müller, Betriebsleiter / Plant Manager bei der Meissner AG, sieht die Vorteile von FASTSUITE als universeller Software-Begleiter bei dem Vorhaben, mit neuen Automatisierungslösungen Wachstum zu erreichen. "Wir können FASTSUITE zum Programmieren von Robotern und Maschinen verschiedenster Hersteller einsetzen und das ist ein großer Vorteil, da uns Kunden natürlich unterschiedliche Modelle vorgeben. Außerdem bietet uns die 3D-Simulationssoftware bereits eine große Auswahl einsatzbereiter Module für verschiedenste Fertigungstechnologien. Das heißt, das Team gewinnt immer mehr Routine mit dem Programm und kann sich auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren - kreative neue Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln."
Das Punzieren gehört zu den nicht spananhebenden Fertigungsverfahren in der Metallverarbeitung. Dabei wird ein Schlagstempel in Metall getrieben. In der Schmuckverarbeitung geschieht das in der Regel per Hand, im industriellen Umfeld maschinell. Die Art der Prägung hängt von der Form des Schlagstempels ab.
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