09/25/2025 | Press release | Distributed by Public on 09/25/2025 08:16
Presseinformation Nr. 25.251 25.09.2025
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 39 - Schutz von Kindern und Jugendlichen vor negativen Auswirkungen sozialer Medien
Dazu sagt die jugend- und digitalpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Nelly Waldeck:
Nicht nur Kindern, auch Erwachsenen fehlt oft Kompetenz im Umgang mit Social Media Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen, ich habe im Rahmen der Gamescom einer ganz spannenden Podiumsdiskussion gelauscht, es ging um das Thema FSK. In einer Runde aus drei Erwachsenen - einem Experten, einer Ministerin, einer Moderatorin - waren sich alle einig, wie wichtig und sinnvoll die FSK-Altersgrenzen bei Filmen sind. Dann wurde eine Jugendliche gefragt. Auf die Frage, ob sie bei der Auswahl auf die FSK-Angabe achte, sagte sie: "ne". Ob sie die FSK davon abhalte, bestimmte Filme zu schauen: "ne". Ob sie glaube, dass die Altersgrenzen wirken: "ne". Da wurde es still im Raum. Und auf die Frage, ob sie schon Filme gesehen habe, die sie verunsichert hätten, die Albträume ausgelöst hätten und die sie im Nachhinein lieber nicht gesehen hätte, sagte sie: "ja, auf jeden Fall". Das zeigt: Ein Problem mag von allen Seiten erkannt werden, aber ein Verbot allein ist deshalb nicht automatisch wirksam. Heute reden wir aber nicht über Filme, sondern über Social Media und darüber, wie wir junge Menschen vor Risiken schützen können, ohne ihnen zugleich die Chance zu verwehren, im Netz zu lernen und Verantwortung zu übernehmen. Und weil die großen Plattformen leider nicht bereit sind, ihre Nutzungsdaten für Forschung zu Kinder- und Jugendschutz herauszugeben, müssen wir uns wissenschaftlich gerade mit Befragungen von Jugendlichen selbst zufriedengeben. Aber auch diese ergeben warnende Erkenntnisse: Mehr als ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen sagt selbst, Social Media in problematischem Ausmaß zu nutzen. Ein Drittel der Jugendlichen berichtet von mehr Stress, Neid und Einsamkeit nach der Nutzung. Und eine knappe Mehrheit würde es lieber sehen, wenn es vor 16 gar keine Social-Media-Nutzung gäbe. Und das unter Jugendlichen! Diese Erkenntnisse lassen sich nicht ignorieren! Nicht nur die viel diskutierten Themen wie Falschinformationen, Filterblasen, Cybermobbing und Hate Speech sind ein Problem. Die ständige Beschallung mit vermeintlich perfekten Lebensstilen, Schönheitsidealen, unbegrenzten Reisemöglichkeiten und Selbstoptimierungsmöglichkeiten haben massive Folgen für das eigene Selbstwertgefühl und die eigene Entwicklung. Und dann kommen noch die vielen technischen Aspekte hinzu, die für Jugendliche besonders risikoreich sind: Personalisierte Werbung, manipulative Designmuster, die zum Endlos-Scrollen führen, aufdringliche Trends, die durch den Algorithmus gepusht werden, und natürlich schwacher Datenschutz. Viele dieser Aspekte lassen sich durch Verpflichtungen der Plattformbetreiber regeln. Dazu gehören Privacy by Default Einstellungen mindestens für Minderjährige, Einschränkungen von Push-Mitteilungen und sonstigen Anreizen zum Dauerscrollen, automatische Zeitbegrenzungen, kinder- und jugendgerechte Empfehlungsalgorithmen und ein Verbot personalisierter Werbung für Kinder und Jugendliche. Bei all diesen Aspekten steht Instagram dann leider wieder etwas weniger auf der Seite der Eltern als sonst so gern beworben. Allerdings, selbst wenn wir diese Probleme alle technisch regeln, bleiben die immanenten Probleme von Social Media wie Selbstoptimierung und Verzerrung. Insofern müssen wir hier auch an der Nutzung selbst ansetzen. Die Leopoldinastiftung hat in ihrem Diskussionspapier einige sinnvolle Vorschläge gemacht, die die SPD heute auch aufgreift. Genau darum halte ich eine große Anhörung für wichtig. Wir brauchen die Expertise von Wissenschaft, Pädagogik und Datenschutzexpert*innen und wir brauchen die Stimmen der Jugendlichen selbst. Es geht um ihre Lebenswelt. Sie müssen mitreden, wenn wir über Regeln und Schutzmechanismen diskutieren. Genau das hat auch die Landjugend noch einmal betont, als ich mit Heiner Garg zusammen auf der Norla mit einigen diskutieren durfte. Viele haben schon wieder den Eindruck, eine Diskussion wird über junge Leute geführt, anstatt mit ihnen - ohne sie einzubinden und ihre Perspektive zu hören. Und die reine Problemfokussierung ist eben auch falsch. Jugendliche nutzen Plattformen, um sich zu informieren, zu lernen, Tutorials zu schauen, neue Perspektiven zu entdecken. Sie pflegen Freundschaften, finden Communitys, gerade bei sensiblen Themen wie mentaler Gesundheit oder LGBTQIA+. Zum Schluss möchte ich noch eines betonen: Ich freue mich, dass wir diesem Thema endlich so viel Aufmerksamkeit widmen. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, nur auf Kinder und Jugendliche zu schauen. Denn während junge Menschen früh lernen, sich im Netz zu bewegen, fehlt vielen Erwachsenen genau diese Kompetenzen. Auch sie sind anfällig für Sucht, Fake News und Hate Speech. Kindern etwas zu verbieten ist deutlich einfacher, als dafür zu sorgen, dass in Zukunft alle - Kinder, Jugendliche und Erwachsene - einen gesunden Umgang mit Social Media pflegen. Und das sollte doch unser Ziel sein. Vielen Dank. *** Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
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