01/23/2025 | Press release | Distributed by Public on 01/23/2025 08:30
MÜNCHEN. Der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten haben heute im Schloss Dachau in einem gemeinsamen Gedenkakt an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. 80 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager lag der Schwerpunkt des Gedenkens heuer auf der unmittelbaren Nachkriegszeit, auf dem schwierigen Neubeginn der Überlebenden, dem oft lebenslangen Kampf mit den erlittenen Traumata; aber auch auf dem frühen Gedenken an die Toten und das Wunder des Überlebens und Weiterlebens. Als Rahmen dafür wurde das Dachauer Schloss gewählt, das bereits 1945 für Gedenkveranstaltungen zu Ehren der Toten und der Überlebenden des KZ Dachau genutzt wurde.
Bei der Veranstaltung sprachen neben Landtagspräsidentin Ilse Aigner und dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, auch Ministerpräsident Dr. Markus Söder, der Oberbürgermeister der Stadt Dachau, Florian Hartmann, sowie David Husarek, Enkel des Dachau-Überlebenden Dr. Paul Husarek, der unmittelbar nach der Befreiung bereits in der ersten Ex-Häftlings-Selbstorganisation aktiv war. Vor dem Gedenkakt fand am Internationalen Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Dachau eine Kranzniederlegung statt.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner thematisierte in ihren Gedenkworten die teilweise zu beobachtende bewusste Verachtung der Erinnerungskultur und die Verzerrung der Geschichte in der öffentlichen Debatte von Seiten mancher politischer Verantwortungsträger: "Hitler ein Kommunist? Wer waren denn mit die ersten Internierten hier in Dachau? Unter ihnen waren gerade am Anfang viele Sozialdemokraten und Kommunisten. Was für eine perfide Verhöhnung der Opfer! Alice Weidel, die für die AfD Kanzlerin werden will, versucht damit Distanz zu schaffen. Mit ihrer eigenen Erzählung. Wir sehen Chaos als Strategie. Und die Umdeutung, die Verwirrung unserer deutschen Geschichte als Instrument, bis viele nicht mehr wissen, was sie glauben sollen. Alice Weidel tut es, weil sie will, dass es ihr nutzt, und weil es für diese Show ein Publikum gibt. Die Kategorien werden durcheinandergewirbelt. Die Maßstäbe werden neu gerichtet. Ich frage: 80 Jahre - war das die Schamfrist? Einen echten deutschen Patriotismus kann es nur geben im vollen Bewusstsein unserer Geschichte. Wer eine Art "Schuldkult" beklagt - was für ein fürchterliches Wort - sieht an den Menschen vorbei, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind. Millionenfach."
Und die Landtagspräsidentin mahnte: "Seien wir ehrlich: Wir haben das Versprechen "Nie wieder!" gebrochen. Umso mehr müssen wir jetzt - 80 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager - beweisen, dass wir dem "Nie wieder!" wirklich gewachsen sind. Wir haben noch die Möglichkeit umzusteuern. Wir haben das Zeug dazu und wir haben die Verpflichtung dazu! Wehren wir uns gegen die Angreifer von außen und innen. Wehren wir uns gegen jede Form von Menschenverachtung. Wehren wir uns gegen jeden Extremismus. Wehren wir uns gegen ideologisches Denken, in dem alle morgen die "anderen" sein können. Wenn wir schon das "Nie wieder" nicht durchbringen können: Wehren wir uns gegen das `Immer wieder!´"
Ministerpräsident Dr. Markus Söder sagte: "Wir gedenken, wir erinnern, aber wir verlieren nie den Mut. Am meisten beeindrucken mich die Nachkommen und die Opfer des Nationalsozialismus, die bei uns leben. Ich möchte mich vor all den Überlebenden verneigen - vor ihrer Bereitschaft, zu verzeihen." Und der Ministerpräsident mahnte: "Weimar war kein Einzelereignis. Weimar war eine Entwicklung. Wir dürfen nie zu müde und zu schwach sein, uns gegen Antisemitismus zu stellen. Für mich ist klar: Es geht da um alles! Jeder Schritt, den wir weichen, ist ein Stück Schwäche. Und diese Schwäche dürfen wir uns nicht leisten."
Im Anschluss an die Ansprachen der beiden Vertreter aus der Landespolitik fokussierte Stiftungsdirektor Karl Freller in seiner Rede auf die dramatische Befreiung des KZ Dachau durch US-amerikanische Einheiten am 29. April 1945. Er verwies auf die unglaubliche Leistung der Überlebenden, sich in kürzester Zeit neu zu organisieren und damit den klaren Willen zur Zukunft zu demonstrieren. Als Beispiel führte er das International Information Office (IIO) in Dachau unter Leitung von Dr. Paul Husarek an: "Bereits zum Tag der Befreiung gründeten Überlebende des KZ Dachau unterschiedlicher nationaler Herkunft ein internationales Lagerkomitee - und setzten damit ein Zeichen für Zusammenhalt und den Willen zur Zukunft! Immer wieder trafen sich Überlebende in den Nachkriegsjahren zu Gedenkveranstaltungen im Schloss Dachau, die vom IOO organisiert waren. Diese Zusammenkünfte waren von immenser psychologischer und öffentlicher Bedeutung, zeigten sie doch die Überlebenden nicht ausschließlich als Opfer, sondern als Akteure: Menschen, die sich wegen und trotz des erlebten Unrechts für Erinnerung und Gerechtigkeit einsetzten. Erinnerung ist uns seit damals Verpflichtung: Gegenüber den Opfern, den Überlebenden und ihren Nachfahren und gegenüber uns als Gesellschaft - letztlich eine Verpflichtung für die Zukunft."
Der Oberbürgermeister der Stadt Dachau Florian Hartmann: "Der Name "Dachau" bleibt mit dem Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus für immer verbunden. Die Stadt Dachau darf und wird sich dieser Verantwortung niemals entziehen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, dass sich die Geschichte nicht mehr wiederholen kann. Im Gedenken und in Trauer um die Opfer der Konzentrationslager, in der Verpflichtung gegenüber den Überlebenden und ihrem Vermächtnis, mit festem Blick für eine Zukunft ohne Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus."
David Husarek, Enkel des Dachau-Überlebenden Dr. Paul Husarek betonte: "Vor fast 80 Jahren stand mein Großvater hier im Dachauer Schloss und erinnerte, zusammen mit anderen Überlebenden, an die Opfer des Konzentrationslagers Dachau - in einer Zeit, in der Hoffnung nur schwer vorstellbar war, initiierte er mehrere Gedenkveranstaltungen. Heute, fast 80 Jahre später, stehen auch wir an diesem Ort, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. […] In einer Zeit, in der die Stimmen der Zeitzeugen immer leiser werden, ist es unsere Pflicht, ihre Geschichten zu bewahren und eine aktive Erinnerungskultur zu gestalten."
Auch die Überlebenden Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Abba Naor, Ernst Grube, Dr. Eva Umlauf und Franz Herzog von Bayern nahmen an dem Gedenken in Dachau teil sowie viele Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik und Kirche, unter ihnen Mitglieder des Landtagspräsidiums, der Bayerischen Staatsregierung, der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Dr. Hans-Joachim Heßler, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, und Erich Schneeberger, Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern.
Die musikalische Gestaltung übernahmen die 15-jährige Euphonium-Spielerin Linda Schenk aus Dachau bei der Kranzniederlegung und das Duo Modéré (Adrian Planitz, Saxophon und Zdravko Zivkovic, Akkordeon) zusammen mit Sängerin Shary Osman beim Gedenkakt.
Traditionell veranstalten der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten jährlich gemeinsam den Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus. Ziel dieses Gedenkens ist nicht nur die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch die Mahnung an die junge Generation, derartiges Unrecht nie wieder zuzulassen.
Pressefotos der Kranzniederlegung und des Gedenkakts können zeitnah kostenlos heruntergeladen werden unter www.bayern.landtag.de/aktuelles/presse/pressefotos/.
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