10/03/2025 | News release | Distributed by Public on 10/02/2025 21:37
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Das erste Bild eines Menschen ist ein Ultraschallbild aus dem Mutterleib. Doch Ultraschall kann weit mehr: Schon lange nutzen Physiotherapeut:innen sie, um Körpergewebe zu erwärmen, und Krebsmediziner:innen zerstören mit hochintensivem Ultraschall und dessen Hitzeentwicklung im Körperinnern Tumore.
Seit gut zehn Jahren erforschen Wissenschaftler:innen ausserdem, wie sich mit wenig intensivem Ultraschall gezielt die Nervenaktivität im Gehirn beeinflussen lässt. Erste klinische Studien überprüfen bereits, ob sich mit solcher Neuromodulation die Symptome bei Alzheimer, Epilepsie oder das Zittern von Tremor-Patient:innen lindern lassen.
Forschenden der ETH Zürich, der Universität Zürich und der New York University ist es nun gelungen, die Ultraschall-Neuromodulation im Gehirn zu verbessern. Die Wissenschaftler:innen entwickelten ein Gerät, mit dem sich im Gehirn erstmals gleichzeitig drei oder bis zu fünf präzis definierte Punkte stimulieren lassen, wie sie in einer Studie zeigen. Bisher war das höchstens ansatzweise und sehr viel unpräziser möglich.
«Das Gehirn funktioniert in Netzwerken. Es ist daher einfacher, ein Hirnnetzwerk anzuregen oder zu dämpfen, wenn man das an mehreren Punkten gleichzeitig macht», erklärt Daniel Razansky. Er ist Professor an der ETH Zürich und der Universität Zürich und hat die Arbeit gemeinsam mit einem Kollegen der New York University geleitet.
Die Neuromodulation erfolgt bei dieser Technik durch die Schädeldecke hindurch. Das Gerät wird auf den Kopf gerichtet. Es handelt sich um eine nicht-invasive Methode: ein chirurgischer Eingriff ist nicht nötig.
Die Forschenden führten die Neuromodulation im Labor an Mäusen durch. Dazu platzierten sie deren Kopf unter einer selbst entwickelten Haube mit mehreren hundert Ultraschall-Wandlern. Über eine ausgeklügelte Steuerungselektronik erzeugen diese Wandler kurze Ultraschall-Impulse so, dass sich die Ultraschallwellen im Gehirn gegenseitig auslöschen oder verstärken.
Das Prinzip ist vergleichbar mit einem Hologramm, einem dreidimensional wirkenden Bild, das durch die Wechselwirkung von Lichtwellen erzeugt wird. Bei der neuen Methode der Forschenden aus Zürich und New York entstehen durch die Überlagerung vieler Ultraschallwellen einzelne Brennpunkte.
Indem die Forschenden Hirnnetzwerke an mehreren Punkten gleichzeitig modulieren, können sie im Vergleich zur Modulation an einem Punkt mit weniger intensivem Ultraschall arbeiten. «Je weniger intensiv der Ultraschall, desto sicherer ist das für das Gehirn», erklärt Razansky.
Frühere Anläufe zur Ultraschall-Neuromodulation litten oft unter einem Alles-oder-nichts-Effekt: Zu schwacher Ultraschall hatte keinen Effekt, während eine zu starke Intensität zu einer unkontrollierten Erregung des ganzen Gehirns führte, verbunden mit der Gefahr, dieses zu schädigen. Ausserdem kann intensiver Ultraschall Gefässschäden verursachen oder zu Überhitzung des Schädels oder des Gehirns führen.
Niedrigintensive Ultraschall-Impulse haben kurzzeitige Effekte, darunter auch ein kurzer Temperaturanstieg im Fokusbereich. Darüber hinaus beeinflussen sie mutmasslich auch kanalförmige Proteine an der Oberfläche von Nervenzellen, die den Transport von Ionen in die Zellen und aus ihnen heraus kontrollieren. Welche Mechanismen in welchem Ausmass dazu beitragen, dass Nervenzellen angeregt oder gedämpft werden, müssen Forschende erst noch im Detail untersuchen.
Mit der neuen Methode ist es ausserdem möglich, Hirnnetzwerke nicht nur anzuregen, sondern diese Anregung gleichzeitig mittels Bildgebung sichtbar zu machen. Die Forschenden können unmittelbar überprüfen, welche Netzwerke sie angeregt haben.
Die jüngste Studie, die die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature Biomedical Engineering veröffentlichten, diente der Entwicklung der Technologie und hatte noch keine medizinische Anwendung zum Ziel.
Diese Studie und die Zusammenarbeit mit den Forschenden der New York University wurden massgeblich finanziert durch die amerikanischen National Institutes of Health. Weil die Behörde derzeit unter politischem Druck stehe und keine Gelder mehr ins Ausland vergebe, könnten die Forschenden die Zusammenarbeit derzeit nicht im gleichen Rahmen fortsetzen, erklärt Razansky. Er möchte sie jedoch mit anderen Finanzierungsquellen so gut es geht weiterführen.
Als Nächstes wollen sich die Forschenden Anwendungen widmen und die Technologie in Tierversuchen bei verschiedenen Krankheiten testen. Mögliche medizinische Anwendungsfelder sind neben Alzheimer, Tremor und Epilepsie auch Depressionen, Parkinson sowie die Therapie nach einem Hirnschlag. «Für unsere Forschung sind wir auf Tiere angewiesen», betont Razansky. «Es wäre nicht möglich, solche Entwicklungen in einem so frühen Stadium an Menschen zu erforschen. Zunächst müssen wir lernen, wie wir den Eingriff kontrollieren können, und wir müssen gewährleisten, dass er für die Behandlung von Gehirnerkrankungen sicher und wirksam und ist.»
Razanskys Gruppe ist auf die Entwicklung von Ultraschall- und Bildgebungs-Methoden spezialisiert, auf die Ingenieuraspekte und Datenanalyse. Die Kollegen aus New York trugen ihre Neurowissenschafts-Expertise bei. Die Entwicklung des Geräts und die Experimente fanden in Zürich statt.
Fabio Bergamin ist Wissenschaftsredaktor der ETH Hochschulkommunikation
Prof. Dr. Daniel Razansky
Universität Zürich und ETH Zürich
Institut für Pharmakologie und Toxikologie (IPT) und
Institut für Biomedizinische Technik (IBT)
Multiscale Functional and Molecular Imaging Razansky Lab
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