German Federal Government

07/09/2025 | Press release | Distributed by Public on 07/10/2025 01:53

Rede von Bundeskanzler Merz anlässlich des Festaktes 70 Jahre Deutschland in der NATO am 9. Juli 2025 in Berlin

Sehr geehrter Herr Generalsekretär,

sehr geehrte Herren Minister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

sehr geehrte Soldatinnen und Soldaten und Zivilbeschäftigte der Bundeswehr,

Exzellenzen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

"Der Platz Deutschlands ist auf der Seite der Völker der freien Welt. Hierüber gibt es keine Diskussion, hierüber kann es auch keine Diskussion geben".

Der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, sagt diese Sätze im Jahr 1954 vor dem Deutschen Bundestag - fast genau ein Jahr, bevor die Bundesrepublik der NATO beigetreten ist.

Die Wahrheit ist: Es hat darüber Diskussionen gegeben - kontroverse Diskussionen, sehr kontroverse Diskussionen - in unseren europäischen Nachbarländern und vor allem in der jungen Bundesrepublik. Kaum etwas war selbstverständlich in der Dekade nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, schon gar nicht die Wiederbewaffnung unseres Landes. Der Platz des geteilten Deutschlands in der Welt war eine offene Frage.

Vor 70 Jahren - in dem Jahr, in dem ich geboren wurde - hat die junge Bundesrepublik diese Frage mit ihrem Beitritt zur NATO im Sinne der Freiheit beantwortet, im Sinne der Westbindung, im Sinne der transatlantischen Partnerschaft. Das war eine folgenreiche Entscheidung. Sie war und sie ist bis heute die Grundlage dafür, dass in Deutschland drei Generationen groß werden konnten, die nichts anderes kennengelernt haben als Freiheit, Frieden und Sicherheit - zunächst im Westen und später in unserem wiedervereinigten Vaterland.

Meine Damen und Herren, wir begehen das Jubiläum des deutschen NATO-Beitritts in historischen Zeiten: in Zeiten geopolitischer Umbrüche, in Zeiten neuer offener Fragen, in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und massiver russischer und anderer hybrider Angriffe auf die NATO und auch auf Deutschland.

Wir begehen das Jubiläum zugleich unmittelbar nach einem historischen NATO-Gipfel, mit dem wir in die ganze Welt ein Zeichen der Geschlossenheit und der Entschlossenheit gesetzt haben. Ende Juni, vor wenigen Tagen, haben wir uns in Den Haag als Bündnispartner gemeinsam entschieden, unsere Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Wir haben uns miteinander zu unseren Bündnispflichten bekannt - so wie schon gesagt: einer für alle, und alle für einen. Es war das entscheidende Signal: Wir können und wir werden als Bündnis Antwort geben auf die Herausforderungen der neuen Zeit. Dieses Bündnis atmet, es lebt, und es trägt unsere kollektive Sicherheit. Das ist eine historische Leistung.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär, an dieser Stelle möchte ich Ihnen persönlich ganz herzlich danken. Ihr diplomatisches Geschick hat großen Anteil an dem Erfolg dieses historischen NATO-Gipfels. Unsere Allianz kann froh sein, dass sie mit Ihnen in dieser schwierigen Phase des Umbruchs einen so tatkräftigen und zugleich einenden Generalsekretär an der Spitze der NATO weiß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in Deutschland haben wir uns an die Arbeit gemacht. Wir hatten große Rückstände aufzuholen. So ehrlich müssen wir mit uns sein: Deutschland war zu lange nicht bereit, die Aufwendungen für die eigene Sicherheit zu zahlen - weil es ja scheinbar auch so ging. Die hochgezogenen Augenbrauen jenseits des Atlantiks und die Warnungen unserer Partner in Mittel- und Osteuropa vor dem immer aggressiveren Revisionismus Russlands wurden bei uns zu oft mit Schulterzucken begleitet - trotz der russischen Angriffe auf Georgien, trotz der Besetzung der Krim und des Donbass. Es brauchte erst den Angriffskrieg Russlands gegen die gesamte Ukraine, bis auch in Deutschland die Einsicht mehrheitsfähig wurde: Unsere Verteidigungsfähigkeit ist keine Aufgabe, die wir in die Zukunft verschieben oder gar outsourcen können. Sie ist in unserem ureigensten Interesse, und sie ist heute unsere ureigenste Aufgabe.

Die ukrainischen Städte, die Putin bis in die letzte Nacht hinein bombardieren lässt, sie liegen keine zwei Flugstunden von uns entfernt. Die Provokationen und Aggressionen, die von der russischen Schattenflotte ausgehen, sie geschehen in der Ostsee. Die Sabotageakte, die hybride Kriegsführung Putins, sie gelten auch unserer kritischen Infrastruktur, unserem sozialen Zusammenhalt und unserer demokratischen Stabilität. Putins Auftragsmorde geschehen mitten in Europa - auch hier in Berlin, wenige Meter von hier entfernt.

Die Lage ist also ernst, und deshalb sagen wir heute, an diesem für uns so wichtigen Jubiläumstag, aus voller und ganzer Überzeugung: Wir nehmen unsere Verantwortung ernst, die Freiheit im euro-atlantischen Raum zu verteidigen, zu der wir uns vor 70 Jahren mit dem NATO-Betritt bekannt haben - und wir nehmen sie ernst nicht nur im Wort, sondern auch in der Tat.

Wir haben vor wenigen Wochen im Deutschen Bundestag das Grundgesetz geändert, um die notwendigen Mittel für unsere Verteidigung aus eigener Kraft bereitstellen zu können. Auch im Bundeshaushalt haben wir den Aufwuchs der Verteidigungsausgaben nun abgebildet. Wir werden mit diesen Mitteln in den nächsten Jahren alles daransetzen, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in der Europäischen Union zu machen - wie es einem Land unserer Größe und Wirtschaftskraft angemessen ist und wie es unsere Alliierten zu Recht von uns erwarten.

Ich möchte an dieser Stelle einen Dank aussprechen an unseren Verteidigungsminister, an Boris Pistorius, der mit viel Kompetenz und Tatkraft seit vier Jahren diese Aufstellung der Bundeswehr voranbringt. Herzlichen Dank!

Ich danke in besonderer Weise den Soldatinnen und Soldaten, die in dieser Zeit ihren Dienst an der Waffe tun. Sie leisten ihre Arbeit im Namen der Freiheit - in Deutschland, aber auch an den NATO-Außengrenzen, oder in anderen Einsätzen, wo der Ernstfall wieder ein Szenario ist, auf das wir uns gewissenhaft vorbereiten müssen.

Ich habe im Mai beim Aufstellungsappell der Brigade Litauen in Vilnius gesagt - und ich möchte es heute wiederholen -: Im Kalten Krieg konnten wir uns in Deutschland des Beistands der Alliierten sicher sein. Es ist heute an uns, neu zu beweisen - wie wir es mit der Brigade Litauen tun -: Die Alliierten können sich auch auf uns verlassen.

Europa insgesamt kann sich auf die Bundesrepublik verlassen: Wir werden in den nächsten Jahren vorangehen bei der Aufgabe, den europäischen Pfeiler der NATO zu stärken.

Auch das möchte ich heute hier mit allem Nachdruck sagen: Wir werden fortfahren, die Ukraine zu unterstützen, die auch unsere Freiheit seit nunmehr vier Jahren für uns mit verteidigt. Der Weg zu einem gerechten Frieden führt über Stärke, nicht über Schwäche oder gar Kapitulation vor der Aggression. Und einen gerechten Frieden, ja, den wollen wir - für die Freiheit und für die Sicherheit in Europa und im euro-atlantischen Raum.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch das folgt daraus, wenn wir heute sagen:

"Der Platz Deutschlands ist auf der Seite der Völker der freien Welt."

Diese Entscheidung, die vor 70 Jahren mit dem NATO-Beitritt getroffen und besiegelt worden ist, die haben wir heute zu erneuern und zu bekräftigen. Das ist eine Aufgabe der Politik, aber das ist auch unsere Aufgabe in der deutschen Gesellschaft. Das ist auch eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, und zwar gerade weil die NATO ein Bündnis freiheitlich-demokratischer Staaten ist. Freie Völker leben aus ihrer Mitte heraus. Das Wertefundament, das die NATO trägt und zusammenhält, lebt aus der Mitte der Gesellschaften der Bündnispartner heraus. Das heißt, dass wir alle zusammen aufgerufen sind, Freiheit in Verantwortung zu leben - in allen Generationen, in der ganzen Gesellschaft, in allen Teilen unseres Landes.

Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Gleichzeitig wissen wir als Deutsche aus unserer historischen Erfahrung in besonderer Weise: Der Wert der Freiheit ist unbezahlbar. In Freiheit leben zu dürfen, in Sicherheit und im Frieden, das ist das größte Geschenk, das uns nach 1955 Geborenen gemacht worden ist, und das ist zugleich die größte Errungenschaft, an der wir das große Glück haben, teilhaben zu dürfen.

Dieses Wissen, auch dieses historische Wissen, lebendig zu halten, wach zu halten, wirklich lebendig zu halten, und in diesem Wissen dann auch voranzugehen - in Europa, im NATO-Bündnis -: Meine Damen und Herren, das ist unsere Aufgabe heute.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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