12/18/2025 | Press release | Distributed by Public on 12/18/2025 00:44
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin I - Staatsschutzkammer - hat heute einen 25-Jährigen wegen Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen und wegen Verbreitens von Propagandamitteln terroristischer Organisationen in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15,- Euro verurteilt und damit entschieden, dass es sich bei der Wortfolge "From the river to the sea" um ein Kennzeichen der verbotenen Terrororganisation Hamas im Sinne von § 86a Abs. 2 StGB handelt. "Wer diese Wortfolge nutzt, unterstützt die Terrororganisation Hamas und deren Hauptziel der Vernichtung Israels", so die Vorsitzende der Kammer in ihrer heutigen Urteilsbegründung.
Nach den Feststellungen der Kammer hat der Angeklagte den Slogan "From the river to the sea" am Abend des 13. Dezember 2024 auf einer Demonstration unter dem Motto "Gegen Verdrängung und Siedlungskolonialismus" im Berliner Bezirk Friedrichshain skandiert. Die Menge habe jeweils mit "Palestine will be free" geantwortet. Dabei sei dem Angeklagten auch bewusst gewesen, dass es sich bei dem Ausspruch um eine Parole der Hamas handele. Spätestens seit dem verheerenden Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober 2023 werde die Wortfolge in der Öffentlichkeit mit dem Versuch der Hamas, Israel zu zerstören, in Zusammenhang gebracht und bewusst eingesetzt, um Solidarität mit den Absichten und Methoden der Hamas zu bekunden. Erklärtes Ziel der Hamas sei die Vernichtung Israels und Tötung und Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus dessen Staatsgebiet. Bei der Parole handele es sich um eine bildliche Darstellung dieser Forderungen.
Der Umstand, dass die Wortfolge historisch betrachtet zunächst auf israelischer Seite gebräuchlich gewesen sei, sei bei der Frage nach der Strafbarkeit unerheblich, führte die Vorsitzende weiter aus. Die Gruppierung habe sich den Slogan durch Übung und durch Autorisierungsakt zu eigen gemacht. Er werde von hochrangigen Hamas-Mitgliedern spätestens seit 2017 - und vermehrt seit Oktober 2023 - immer wieder als Gegenentwurf zu einer friedlichen Zwei-Staaten-Lösung benutzt. Es handele sich bei dem Ausspruch um den bekanntesten Slogan im sog. pro-palästinensischen Milieu, der von linken und linksextremistischen Kräften bewusst aufgegriffen worden sei, um das Existenzrecht Israels zu negieren, so die Vorsitzende weiter. Die Kammer stützte sich bei dieser Einordnung u.a. auf das Gutachten eines Islamwissenschaftlers von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) trete wegen der Tabuisierungsfunktion des gesetzlichen Tatbestandes des § 86a StGB in diesem konkreten Fall zurück, so die Vorsitzende der Staatsschutzkammer, weil der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer die Parole erkennbar als Kennzeichen der Terrororganisation Hamas verwendet habe, um seine Unterstützung für die Vereinigung und deren Ziele zum Ausdruck zu bringen. Dagegen sei die Verwendung der Parole im Kontext der Demonstration - anders als von der Staatsanwaltschaft Berlin angenommen - nicht zusätzlich als Billigung von Straftaten zu werten (§ 140 Nr. 2 StGB), da ein unmittelbarer Bezug zu dem Anschlag am 7. Oktober 2023 fehle.
Weil der Angeklagte darüber hinaus im Zeitraum zwischen März und Juli 2024 auf der Plattform Instagram in verschiedenen Posts Propagandabilder der verbotenen terroristischen Gruppierung "Al-Aqsa Märtyrerbrigaden" verbreitet habe, wurde er darüber hinaus wegen Verbreitens von Propagandamitteln einer terroristischen Organisation in drei Fällen verurteilt. Für dieses Taten wurden jeweils Einzelstrafen von 70 Tagessätzen verhängt, für die Verwendung der Parole eine Einzelstrafe von 90 Tagessätzen. Die Tagessatzhöhe wurde auf 15,- Euro festgelegt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.
Die Staatsschutzkammer des Landgerichts Berlin I hatte die Parole "From the river…" bereits im vergangenen Jahr als strafbar eingestuft (siehe dazu die hiesige Pressemitteilung vom 8. November 2024 zu dem Verfahren 502 KLs 21/24). Jene Entscheidung ist rechtskräftig geworden, nachdem die dort Verurteilte ihre zunächst eingelegte Revision gegen den Richterspruch zurückgenommen hatte. Auch andere große Strafkammern des Landgerichts Berlin I haben überwiegend die Strafbarkeit angenommen. Das Amtsgericht Tiergarten dagegen hat in unterer Instanz hinsichtlich der Nutzung der Wortfolge bislang nicht einheitlich entschieden - einige Abteilungen haben eine Strafbarkeit bejaht, andere verneint. Eine Entscheidung des Kammergerichts als höchster Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit Berlins in dieser Frage steht noch aus.
Siehe auch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Berlin vom 1. August 2025 sowie die hiesige Pressemitteilung vom 8. November 2024 zu dem Verfahren 502 KLs 21/24
Az.: 502 KLs 13/25
Lisa Jani
Sprecherin der Berliner Strafgerichte