12/20/2025 | Press release | Archived content
Am Jahrestag des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat eine Gedenkveranstaltung in der Johanniskirche in Magdeburg stattgefunden. Neben der Oberbürgermeisterin der Stadt Magdeburg, Simone Borris, und dem Ministerpräsidenten von Sachsen Anhalt, Reiner Haseloff, hat auch Bundeskanzler Friedrich Merz an der Gedenkveranstaltung teilgenommen.
In seiner Rede gedachte Kanzler Merz der Verstorbenen und brachte sein Mitgefühl über das andauernde Leid der Angehörigen zum Ausdruck. "Wir denken an jeden Einzelnen und jede Einzelne, die schwer tragen an der körperlichen und seelischen Beschädigung, die dieses Verbrechen hinterlassen hat." Zudem dankte er allen Einsatzkräften, Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Ärzten, dem Pflegepersonal in Krankenhäusern sowie den vielen Eherenamtlichen. "Sie haben in jenen Tagen oft Übermenschliches geleistet", so Merz.
Sehr verehrte Betroffene und Angehörige der Opfer des Anschlags,
sehr geehrter Ministerpräsident, lieber Reiner Haseloff,
Frau Oberbürgermeisterin Simone Borris,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Gedenkveranstaltung,
es gibt Tage, an denen will die Dunkelheit nicht weichen. Es gibt Tage, an denen ist die Trauer so groß, dass sie fast allen Raum einnimmt. Viele von Ihnen sitzen heute hier mit einem Schmerz im Herzen, der mit Worten nicht zu beschreiben ist. Viele Menschen in dieser Stadt, in diesem Land Sachsen-Anhalt, ja, in ganz Deutschland tragen auch und besonders heute schwer an der Trauer.
Als heute vor einem Jahr, am 20. Dezember 2024, um kurz nach 19 Uhr die Nachrichten von der schrecklichen Gewalttat eintrafen, die hier in Magdeburg geschehen ist, da sind die meisten von uns, da sind Menschen überall in unserem Land vor Entsetzen erstarrt. Was Festtage sein sollten, die letzten Adventstage und dann Weihnachten, war binnen weniger Sekunden tief überschattet von dem Schrecken und von der großen Anteilnahme, die von den Menschen genommen wurde.
Die letzten Adventtage und auch Weihnachten in diesem Jahr sind überschattet. Wir haben die herzzerreißenden Bilder des Anschlagortes vor unserem inneren Auge. Wir hören noch die Berichte der Opfer und der Augenzeugen, das Weinen der Angehörigen.
Meine Damen und Herren, wir sind ein Land, das nichts höher stellt als den Menschen, jeden Einzelnen, als das Leben eines Menschen. Nach unserer festen Überzeugung - und viele mögen sagen, nach unserem christlichen Glauben - ist jeder Mensch einzigartig geschaffen. Jeder Mensch ist berufen zu einem Leben, in dem er sich entfalten kann, eben in seiner wunderbaren Einzigartigkeit.
Das Verbrechen, das in dieser Stadt am 20. Dezember, heute genau vor einem Jahr, geschehen ist, hat Leben zerstört. Dieses Verbrechen, und wir haben es eben gehört, hat das Leben von Familien aus der Bahn geworfen. Es hat sechs Leben auf das Grausamste viel zu früh beendet. Familien, Freunde, Klassenkameradinnen und -kameraden, Kolleginnen und Kollegen können erzählen, worin die Einzigartigkeit von jedem und von jeder dieser sechs Menschen lag, wo sie unersetzbar sind, wo sie für immer fehlen werden.
So trauern wir heute gemeinsam. Wir betrauern jedes einzelne Leben. Wir denken an jeden Einzelnen und jede Einzelne, die schwer tragen an der körperlichen und seelischen Beschädigung, die dieses Verbrechen hinterlassen hat. Wir denken an die Verletzten, die viele Tage und Wochen um ihr Leben und ihre Gesundheit gekämpft haben, die dies zum Teil bis zum heutigen Tag tun. Wir denken an die Angehörigen, aber auch an die Ersthelferinnen und Ersthelfer, die das Grauen selbst miterlebt und gesehen haben. Ich möchte hoffen, dass für uns alle Trost und Kraft darin liegt, heute gemeinsam zu erinnern und gemeinsam zu trauern, füreinander da zu sein, für die Opfer dieser Schreckenstat da zu sein, aber auch Wut und Zorn mit ihnen und miteinander auszuhalten. Auch Wut und Zorn dürfen sein im Auge von grausamen Verbrechen, wie dieses eines war.
Ich möchte im Namen der Bundesregierung, aber auch sehr persönlich sagen, an alle Betroffenen dieser Tat: Wir stehen an Ihrer Seite, heute und in Zukunft. Und wenn es daran fehlen sollte, dann sind wir auch heute noch aufgerufen, dies zu korrigieren und dies zu verbessern.
Ich möchte Dank sagen den vielen Menschen, die an jenem Tag, eben diesem 20. Dezember 2024, zu Heldinnen und Helden geworden sind. Auch das war dieser Tag, ein Tag der großen Mitmenschlichkeit. Ohne zu zögern und zum Teil unter Einsatz persönlicher Gefahr haben sich Menschen der Verletzten angenommen, geholfen, getröstet, organisiert, zugehört. Sie haben die Entscheidung getroffen, die wir alle immer und jeden Tag treffen können, der Gewalt nicht das letzte Wort zu geben. Ich danke den Einsatzkräften der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste, den Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern, den Ärzten, dem Pflegepersonal in den Krankenhäusern, aber eben auch den so vielen Ehrenamtlichen. Sie haben in jenen Tagen oft Übermenschliches geleistet.
Liebe Familien, liebe Angehörige, liebe Mittrauernde, liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Magdeburg und des Landes Sachsen-Anhalt, wir brauchen heute, wir brauchen in dieser Welt immer wieder Zuspruch, Trost und Zuspruch. "Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden." So heißt es in der Bibel. Ich wünsche Ihnen allen, ich wünsche uns allen, dass jede und jeder für sich persönlich Quellen des Trostes findet, im Glauben der Religionen, welche es auch sein mögen, in Erinnerungen, in Erzählungen, in der Umarmung von Menschen, die Ihnen nahestehen.
Ich wünsche mir, dass wir zugleich als Land fortfahren, das zu sein, was wir sind: ein Land, in dem wir uns bedingungslos Anteilnahme schenken, insbesondere dort, wo Unrecht geschieht; in dem wir zusammenstehen, wo Gewalt einbricht;: in dem wir beharrlich und stetig denen beistehen, die Gewalt erfahren müssen.
Der 20. Dezember wird immer ein Tag des Gedenkens, der Erinnerung bleiben, weil uns jedes einzelne Menschenleben als das Höchste und das Wertvollste gilt. Mögen wir heute alle in diesem Gedenken Zuspruch und ein friedliches Miteinander finden, vor allem zum bevorstehenden Weihnachtsfest.